KOMMENTARE: Stopp der Asyldebatte, jetzt...
■ ... das gilt auch für die SPD
Jedes passende Urteil klingt unpassend milde: Die SPD verhält sich zu den immer bedrohlicheren Anschlägen gegen hier lebende AusländerInnen zaghaft, zurückhaltend. Sie verzichtet darauf, das zu tun, was sie gerade jetzt, gerade als Partei tun kann und tun muß: Politik zu gestalten. Daß SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel gestern die Bundesregierung öffentlich aufforderte, gegen die militante Fremdenfeindlichkeit eine Demonstration zu organisieren, ist richtig und wichtig— und doch nicht mehr als eine Phrase: Wer wie Vogel öffentlich die Ansicht bekundet, als sozialdemokratische Partei solle man seinerseits erst dann zu einer bundesweiten Demonstration gegen den auflebenden Rassismus aufrufen, „wenn wahrscheinlich ist, daß eine solche Demonstration eine gewisse Größe erreicht und nicht lediglich drei- bis fünftausend Leute daran teilnehmen“, der kann sich nicht nur aus der aktiven Politik verabschieden. Der verwirkt auch das Recht, der Bundesregierung vorzuwerfen, sie unternehme zuwenig gegen die ausländerfeindlichen Gewalttaten. Mit seiner Argumentation bestärkt er fahrlässig jene, die behaupten, ein Großteil der Bevölkerung habe zumindest Verständnis für die Ausschreitungen.
In den letzten Wochen haben die Spitzengremien der SPD zunächst Tage gebraucht, bis sie die Pogrome in Hoyerswerda und anderswo offiziell verurteilten. Die Sozialdemokraten beteiligten sich somit an dem, was die Übergriffe auf Ausländer entscheidend provoziert: der Asyldebatte als parteipolitischem Streit. Helmut Kohl und die Seinen erklären die Ausschreitungen besonders damit, daß der Asylartikel 16 des Grundgesetzes wegen der „Boykotthaltung“ der Sozialdemokraten nicht geändert werden kann. SPD-Prominenz verkündet, das „Anwachsen einer emotionalen Überfremdungsangst“ werde auch durch die „Verweigerungshaltung“ der Union begünstigt, die sich nicht auf die Vorschläge der SPD zur Verkürzung der Asylverfahren einlasse. Beides sagt das gleiche: Weil zu viele Asylbewerber in diesem Deutschland leben, gibt es Gewalt gegen Ausländer. Ergo müssen wir uns ihrer zum Teil entledigen. Jene Deutschen, die Nichtdeutsche in ihren Wohnheimen verbrennen, sie auf offener Straße niederstechen, machen keinen Unterschied zwischen Grundgesetzänderung oder „nur“ Straffung der Asylverfahren. Diese Deutschen vernehmen nur, was zwischen den Fachsimpeleien gerufen wird: In diesem Land leben zuviele Fremde. Ferdos Forudastan
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