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„Stop Making Noise“

■ Barrence Whitfield & The Savages waren Montag im „Dixieland“ weniger wild, als der Name verspricht, aber voll mit klassischen Zitaten aus der Ursuppe des Rocks

„Definitely“ sei James Brown für ihn der beste Screamer, vertraute Barrence Whitfield einem Interviewer in seiner Heimatstadt Boston an: „He could drive people up the walls with his screams“. Screamer - das ahnen des Englischen Kundige - ist die Steigerung des Begriffs Shouter, mit dem sich gemeinhin die ganz Lauten und Harten der Rockszene schmücken. Mr. Whitfield erwies sich am Montag im Dixieland als des Superlativs würdig. Schon in normaler Tonlage mit einer außergewöhnlich kräftigen Stimme gesegnet faszinierte er darüber

hinaus mit einem schrill kreischenden Falsett, das er erstaunlicherweise ganze Songs durchhielt: Brown'sche Brunftschreie drei Minuten lang. Wo gelernt? Vom Vorbild natürlich und beim Onkel in Brunswick, Georgia, der da „a very good preacher“ ist.

Barrence Whitfield ist schwarzer Vorsteher einer ansonsten weißen Rhythm&Blues Combo, die in Europa erstmals als Vorgruppe der Latino-Band Los Lobos von sich reden gemacht hatte und jetzt von der RB-Popredaktion ins passabel gefüllte Dixieland geholt wurde. Ein guter Griff, denn mit

gebracht und in den Kulissen versteckt hatte Barrence Leute wie Little Richard, Wilson Pickett, die ollen Stones, 'n paar straighte Südstaatenrocker und natürlich Grandpa James himself. Sie alle schauten den Jungs auf der Rampe wohlwollend über die Schulter, denn die zeigten Rock'n'Roll, Soul, Rhythm&Blues und was sie sonst von den Großen des Genres gelernt hatten. Fast nur eigene Kompositionen, doch gespickt mit Zitaten, Baß-und Gitarrenriffs und Saxophonfiguren der Serie Mensch, das kenn ich doch, fällt mir gleich ein. Perfekt gebracht,

selbstredend. Die Band allerdings weniger wild als der Name verspricht - mit Ausnahme des verrockt weggetretenen, wahrscheinlich einem dieser 50er Jahre Musikfilmen entsprungenen, sich oft wie manisch in die Songs schmeißenden Saxophonisten David Sholl.

Keine Frage, den Fans der Ursuppe der Rockmusik (und die waren schließlich, wer mag da lästern, die Zielgruppe des Abends) wurde guter Stoff geboteen, perfekt, alters-und zeitlos. Wie schön, daß auch die populäre Musik Vertreter hat, die zeigen, daß das meiste an ihr längst klassisch ist. Die Band präsentierte ihren Zitatenschatz technisch hervorragend und show-club-mäßig passabel. Wer sich trotzdem langweilte, hatte die Vorankündigung nicht richtig gelesen. Oder mag als Höhepunkt des Konzerts jenen Moment angesehen haben, als der gutaufgelegte Barrence Whitfield wohlplaziert im Break des sehr lauten Rock'n'Rolls einen begeisterten Zuschauer anharschte: „Stop making that noise! We're doing a recording here!“

Rainer Köster

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