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Stolpe steckt ein Stück zurück

■ Ministerpräsident will doch nicht alle acht kirchlichen „Mitstreiter“ nennen, die von seinen Stasi- Kontakten wußten/ Keine Aufzeichnungen über angebliche „Generalvollmacht“/ EKD stützt Stolpe

Potsdam/Berlin (dpa/ap/taz) — Gebremste Offensive: Entgegen seiner Ankündigung will Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) doch nicht alle acht kirchlichen Mitstreiter präsentieren, mit denen er zu DDR-Zeiten seine Stasi- Kontakte abgesprochen haben will. Auch seine Terminvorgabe — bis zum 1.Mai — kann Stolpe nicht einhalten.

Statt dessen versprach er auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz gestern in Potsdam, am kommenden Sonntag eine „überzeugende Zahl“ seiner Mitwisser zu präsentieren. Mindestens drei wollten dann an die Öffentlichkeit gehen, um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Er habe ihnen zugesagt, ihre Namen vorher nicht zu nennen. Er werde mit ihnen zusammen öffentlich auftreten, um zu beweisen, daß er nicht alleine und auf eigene Rechnung irgend etwas „getrieben“ habe, sagte der frühere Konsistorialpräsident.

In einem Interview hatte Stolpe zuvor Verständnis für die bisherige Zurückhaltung der Kollegen geäußert. Er verüble dies niemandem „angesichts der Lawine, die über mich niedergegangen ist“. Daß ehemalige DDR-Oppositionelle zunehmend auf Distanz zu ihm gegangen seien, setze ihn nun „unter Leistungsdruck auf Klarstellung“. Seine 34 Notizbücher, die für die Rekonstruktion seiner Stasi-Kontakte bedeutsam sein könnten, will Stolpe dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Ernst Benda, zur Verfügung zu stellen. Benda solle die Sachaussagen prüfen und dem Untersuchungsausschuß des Landtags darüber Auskunft geben.

Nicht nur in puncto „Mitstreiter“ kam Stolpes seit Tagen angekündigte Entlastungsoffensive ins Stocken: Hatte er noch am Samstag abend in der Berliner Gethsemane-Kirche erklärt, seine Stasi-Kontakte seien durch eine, zuletzt 1986 erneuerte, Generalvollmacht der evangelischen Kirche legitimiert gewesen, über die es auch Aufzeichnungen gebe, mußte Stolpe gestern entscheidend relativieren: Über eine „Generalvollmacht“ der Kirchenleitung für sein Handeln sei keine schriftliche Bestätigung vorhanden.

Stolpe erklärte seine Stasi-Kontakte durch „die Auftragslage“, die sich seit „1962 aus der Funktion des Leiters der Geschäftsstelle der Konferenz der Evangelischen Kichenleitungen in der DDR“ ergeben habe. Es habe damals kein Zweifel bestanden, daß diese Funktion auch Gespräche mit der Staatssicherheit beinhalte. Schriftliche Abfassungen dieser Art seien in der DDR nicht sehr verbreitet gewesen.

Unterdessen erhielt Stolpe auf der Sitzung des EKD-Rates in Hannover Rückendeckung von den früheren Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR. „Wir haben keinen Anlaß, in Frage zu stellen“, so die Erklärung, „daß Manfred Stolpe im Sinne des kirchlichen Auftrages und im Interesse der Menschen, für die er sich einsetzte, gehandelt hat.“ Der Rat der EKD sprach sich jedoch für eine schnelle und sorgfältige Aufklärung der Vorwürfe gegen Stolpe aus. Dies könne, so die leicht distanziert klingende Äußerung eines Sprechers, in erster Linie Stolpe selbst tun. Der Rat habe ihn in seiner Absicht bestätigt und ermutigt, sogleich mit den Klarstellungen zu beginnen.

Parallel dazu bemühe sich der von der EKD eingesetzte Vorermittlungsausschuß nachdrücklich um die Untersuchung und Bewertung der Vorgänge. Eine sachverständige Kommission sei mit der Auswertung aller verfügbaren kirchlichen Unterlagen beauftragt worden. „Die Ergebnisse sorgfältiger Prüfung und Klärung müssen zählen, nicht erste Eindrücke oder schnelle Verurteilungen“, hieß es. Mit großer Mehrheit stellte sich am Wochenende auch die Berlin-Brandenburgische Synode hinter Stolpe und sprach ihm „Dank und Anerkennung“ für seine „besonders schwierigen und riskanten Gespräche“ aus.

Härtere Töne gegenüber Stolpe schlug unterdessen sein Parteifreund Markus Meckel an. Stolpe müsse alle belastenden Punkte vollständig offenlegen. „Wenn die Lage im Fall Stolpe so ist, wie sie in den Akten der Gauck-Behörde dargestellt wird“, halte er das für sehr belastend.

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