: Stolpe für alle Optionen offen
Koalitionspoker in Potsdam geht weiter/ Nur Bündnis 90 und SPD sind sich prinzipiell einig/ FDP blockt ■ Von Matthias Geis
Berlin, Frankfurt/Oder (taz) — Manfred Stolpe scheint besorgt. Wo immer der designierte Ministerpräsident Brandenburgs in den vergangenen Tagen über den Stand seiner Koalitionsbemühungen referiert, zerstreut er vorab die Befürchtung, die Regierungsbildung in Potsdam könnte sich zur Hängepartie entwickeln. „Wir liegen gut im Zeitplan“ lautet seine Standartformulierung. Spätestens Anfang November soll die Regierung stehen.
Das wird nicht einfach werden. Die Freude bei der SPD, wenigstens in einem der fünf neuen Länder die stärkste Fraktion zu stellen, ist mittlerweile leicht getrübt. Manfred Stolpe braucht für seine Regierungskoalition entweder die FDP oder die CDU. Da nutzt es wenig, daß Stolpe und seine brandenburgischen Genossen immer wieder betonen, eine Koalition unter Einschluß der Bürgerbewegungen und — eher notgedrungen — der FDP läge ihnen am nächsten. Denn die FDP signalisiert nach der ersten Sondierungsrunde noch keine Bereitschaft für die Ampelkoalition. Vielmehr sind die Liberalen derzeit damit beschäftigt ihren prinzipiellen Dissens zu den Bürgerbewegungen aufzubauen. Auch der CDU-Spitzenkandidat Peter Michael Diestel taktiert. Erst versucht der umstrittene Ex-Innenminister, der SPD die große Koalition mit seinem Verzicht auf ein Ressort im neuen Kabinett schmackhaft zu machen; dann, nachdem sich in der ersten Sondierungsrunde gezeigt hat, daß die Ampel-Verhandlungen eher schleppend voran kommen, nennt er seinen Verzicht „reine Spekulation“.
Während Manfred Stolpe verbindlich-moderat bemüht ist, für seine Regierung alle denkbaren Optionen offenzuhalten, sieht der stellvertretende Vorsitzende der Bundes- SPD, Wolfgang Thierse im Potsdamer Koalitionspoker bereits „systematische Obstruktion“ am Werk. CDU und FDP, so Thierse am Rande des gestrigen Parteitags der brandenburgischen SPD, würden die Verhandlungen verschleppen, um Stolpe vorzuführen. Nach dem Motto: „Wo die SPD gewählt wird, kommt nicht mal eine Regierung zustande“, wolle man die Chancen der SPD bei den Bundestagswahlen schmälern. Nach dieser Analyse bleibt Thierse nur der Apell „an die Liberalität der FDP“. Die könne sie in Brandenburg unter Beweis stellen. „Man kann auch ohne CDU eine vernünftige Regierung bilden“, macht Thierse sich Mut und hofft, daß es in Potsdam doch noch zu einer „Insel der politischen Alternative im Meer der CDU- Regierungen“ kommt.
So hart möchte das Stolpe nicht formulieren. Zwar macht er auf dem Parteitag in Frankfurt/Oder keinen Hehl daraus „wo unser Herz schlägt“, doch er will „keine vorschnellen Festlegungen“. Er mahnt die Genossen in Frankfurt, die ebenfalls mehrheitlich das Bündnis mit den Bürgerbewegungen favorisieren, „kühl“ zu bleiben. Es könne sich zeigen, daß die „Ampel nicht geht“. Dann, so Stolpe, „bin ich offen für die große Koalition.“
Das ist nicht nur taktisch gemeint. Natürlich darf Stolpe die Möglichkeit der großen Koalition nicht ausschließen, damit sich die FDP nicht in der alternativlosen Schlüsselrolle für die Regierungsbildung wähnt und ihre Forderungen in die Höhe treibt. Andererseits ist Stolpe durchaus als Chef einer großen Koalition denkbar. Er will Brandenburg zu einem „attraktiven und vollwertigen Bundesland machen“ und weiß, daß er dabei auf Bonner Hilfe angewiesen ist. Eine große Koalition kann in dieser Hinsicht sicher auf mehr Wohlwollen rechnen als die Ampel, deren Erfolg auch die eingefahrenen bundesdeutschen Regierungskonstellationen in Frage stellen würde.
Das ahnt auch die FDP. Zwar gab Parteichef Otto Graf Lambsdorff öffentlich bereits sein o.k. für eine Koalition mit SPD und Bündnis 90, doch mittlerweile ist FDP-Bildungsminister Möllemann in Potsdam beratend tätig geworden.
Seitdem schreibt man bei den Liberalen die Meinungsverschiedenheiten mit den Bürgerbewegungen ganz groß. Rechtsstaats- und Demokratieverständis sowie die Haltung zur Marktwirtschaft seien beim Bündnis 90 unterentwickelt — ein Urteil, das auch bei einem gemeinsamen Treffen nicht korrigiert werden konnte. Da hilft es wenig, daß das Bündnis seinerseits prinzipielle Bereitschaft für die Ampelkoalition signalisiert.
Als Notmodell bringt Stolpe mittlerweile auch die „ganz große Koalition“ aus SPD, CDU, FDP und Bündnis ins Spiel. Genug Stoff also für die zweite Sondierungsrunde, die heute in Potsdam beginnt. — Noch liegt Manfred Stolpe gut im Zeitplan.
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