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Stoisch, fett, gedrungen und behäbig

■ Stillstand im Brückenbau: Das Rennen im Wettbewerb um eine Art Golden Gate Bridge für Spandaus künftige Wasserstadt hat der blasseste Entwurf gemacht / Die piefige Jury lobt das „einfache und saubere Bauwerk“

Zweifellos hat der rückwärtsgewandte Geist von Teilen der Berliner Bauverwaltung nach den Städtebauern und Architekten nun auch die Brückenbauer erfaßt. Nach dem Entwurf der Ingenieure Krone, Leonhardt, Andrä & Partner sowie des Architekten Walter Noebel (Berlin/Stuttgart) ist vorgesehen, die geplanten Quartiere der „Wasserstadt Spandau“ beiderseits der Havel mit einer gedrungenen Brückenkonstruktion zu verbinden. Das 270 Meter lange Verbindungsstück für Fußgänger, Radfahrer und Autos werde den Fluß in der Form einer „langsamen Stadtbrücke“ überspannen, so Senatsbaudirektor Hans Stimmann gestern bei der Vorstellung der Ergebnisse des Realisierungswettbewerbs „Südbrücke Oberhavel“.

Die Jury unter dem Vorsitz des Münchener Architekten Kurt Ackermann habe sich bei der Auswahl der 83 eingereichten Arbeiten bewußt gegen eine dynamisch- moderne „schnelle Brücke“ entschieden. Diese Aufgabe könne der ebenfalls geplanten „Nordbrücke“ zukommen, sagte Stimmann. Diese soll gegen Ende der neunziger Jahre den Fernverkehr vom Flughafen Tegel über die Wasserstadt, durch den Spandauer Forst und die Umlandgemeinden bis zum Autobahnring leiten. Bürgerinitiativen und Umweltverbände protestieren bereits jetzt gegen die geplante Straße durch Wasserschutzgebiete sowie landwirtschaftlich genutzte Freiflächen. Den zweiten Platz belegten die Stuttgarter Architekten Ludescher und Wulf mit einer modernen Bogenbrücke. Die auf 15 steinernen, fetten Pfeilern ruhende Trasse soll die zukünftigen Stadtteile an den Ufern der Havel durch ihre Gestalt und architektonischen Details quasi „auf Brücke holen“ erläuterte Walter Noebel den Entwurf. Die Materialien aus Mauerwerk und Granit führten den Straßenraum „über die Havel fort“. Die konventionelle Konstruktion aus Pfeilern und Tägern diene dazu, ein „einfaches und sauberes Bauwerk“ ohne „modische Anspielungen“ zu schaffen. Die jeweiligen „Aussichtsplattformen“ in den 13 Meter hohen Pfeilern sollen zum Aufenthalt, zum „Schiffe gucken“ (Stimmann) dienen. Die Staffelung der Stützen, ihr Rhythmus sowie die „raffinierten“ Beleuchtungskappen zur Illumination gäben der Brücke den Charakter einer „Verräumlichung“, so Noebel. Kritisch äußerte sich die Jury zur Dimensionierung der Pfeiler und zum nordwestlichen Ende der Brückenaufkantung, sprach sich aber nicht gegen die enge Stellung der Brückenpfeiler aus.

Zwar läßt das 65 Meter breite Mittelstück der größten Brücke Berlins (zum Vergleich: die Oberbaumbücke erreicht etwa 160 Meter) genügend Raum zur Durchfahrt der Schiffe mit Europanorm. Allein die gedrungen wirkende Bauhöhe, die regelmäßige Gliederung und der Einsatz von Mauerwerk in Verbindung zur nahen Zitadelle Spandau, wie Jurymitglied Johannes Lietz anmerkte, assoziieren keine „langsame Stadtbrücke“, sondern den Stillstand im Brückenbau: Statt einer baulichen Chiffre für das pulsierende Leben zwischen zwei Stadtteilen unterstreicht die Brückenform nicht den Eindruck von langsamer Mobilität. Vielmehr erzeugen die behäbigen Pfeiler, die kleinen Verweilzonen und schwerfälligen Details eher die Vorstellung stoischer Ruhe.

Baubeginn für die Brücke kann bereits das Jahr 1995 sein, sagte Hans Stimmann. Für die 22 Meter breite Brücke werde eine Bauzeit von zwei Jahren veranschlagt. 1997/98 soll das 35 Millionen Mark teure Verkehrsbauwerk fertiggestellt sein. Die anfänglich mit vier Fahrspuren ausgewiesene Brücke für den Baustellenverkehr der „Wasserstadt Spandau“ soll später auf zwei Spuren „zurückgebaut“ werden, sagte Stimmann. Die Brücke sei eine „Baulogistikbrücke auf Zeit“. Zufrieden mit dem Bauwerk äußerte sich Spandaus Baustadtrat Claus Jungclaus. Der „gelungene“ Entwurf setze für Spandau Maßstäbe und zeige, daß es mit der Planung der „Wasserstadt Oberhavel“ endlich vorangehe. Rolf Lautenschläger

Die Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten „Südbrücke/Oberhavel“ findet bei der TET Wasserstadt Berlin Oberhavel GmbH, Eiswerder 18, 13585 Spandau statt. Nur geöffnet vom 21. bis 23. Dezember und vom 3. bis 9. Januar, jeweils täglich von 13 bis 19 Uhr.

Foto: Hans-Joachim Wuthenow

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