Störzeile: Im Unlust-Ghetto
■ Warum Gesamtschulen in Hamburg doch nur den sozialen Frieden erhalten
Ein Name wie ein Tintenklecks auf der Abiklausur. „Pscht“, tuschelt es auf Geburtstagsparties, „bist Du auch auf der Ge-Es?“Hilfloses Nicken, heiß-rote Öhrchen. Ja, möchte man schreien, ich gehe auf die Gesamtschule! Ich weiß nicht, wie ein Dreisatz gerechnet wird, na und? Aber man ruft es nicht. Still sitzt man da und beobachtet die Gymnasiasten und Realschülerinnen, die gerade ihre Abschlußprüfung bestanden haben. Wie gescheit sie aussehen. Wie sie einander die besten Kuchenstücke anbieten, während man selbst egoistisch nach einem weiteren grapscht und nicht einmal im Kopf nachrechnen kann, wie viele es schon waren.
Man lernt ja nichts auf der Ge-Es, in einem von 36 Hamburger Unlust-Ghettos. Und das ist Absicht. 28 Jahre, nachdem sie eingeführt wurden, dienen die Gesamtschulen vor allem einem: dem sozialen Gleichgewicht. Hier tummeln sich die Faulen, die Egoisten und die Begriffstutzigen im schulpflichtigen Alter. Betreut von einer Menge Lehrer, die nicht weiß, wie man Leistung schreibt. Eine Närrin, wer das zu ändern versucht.
Man stelle sich vor: All die minderjährigen Leistungsverweigerer würden ausschwärmen und sich auf andere Schulen verteilen. Die Motivation der GymnasiastInnen und RealschülerInnen wäre im Nu dahin. Flugs hätten die Exil-GesamtschülerInnen sie für Faulheit und Unwissen begeistert. Nur kurz würde es dauern, bis auch KolumbianerInnen besser rechnen könnten als die Deutschen. Das darf nicht sein. Deshalb: GesamtschülerInnen in die Gesamtschulen, bevor sie anderen schaden. Judith Weber
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