KOMMENTAR: Stimmungskanonen
■ Ein Jahr danach: Neues Beiratsgesetz folgenlos
Keine Frage: Wenn es um den Unterhaltungswert geht, ist die Sitzung eines Stadtteilbeirates absolut Spitze. Gegen die Emotionen, die dort bisweilen hochkommen, wenn über Kindergartennot, Verkehrsberuhigung oder Übersiedlerwohnheime diskutiert wird, hat die Atmosphäre beispielsweise in der Bürgerschaft etwas Tiefkühltruhiges. Durchaus fraglich aber ist, was das Ganze soll. Denn entscheiden dürfen die Beiräte nur über so brisante Dinge wie Baumnasen zur Verkehrsberuhigung. Und das dauert vom Beschluß über die Abstimmung mit den Behörden bis zur Umsetzung in etwa eineinhalb Jahre. Immerhin gibt es seit einem Jahr eine Änderung: Mußten zuvor die Beiräte im Konfliktfall angehört werden, müssen sie nun angehört werden. Unterschied: Keiner.
Wenn wir WählerInnen 1991 erstmals ein Extra-Kreuzchen für die politische Vertretung vor Ort machen dürfen, dann ist das zwar erstens eine überfällige demokratische Selbstverständlichkeit, zum zweiten aber Etikettenschwindel. Denn die so Gewählten werden weiterhin viel Stimmung verbreiten, aber nichts zu sagen haben. Spätestens dann ist eine neue Diskussion über die Rechte der Beiräte fällig.
Holger Bruns-Kösters
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