: Stimmen für Merkel, Klatsche für Rühe
Der Hamburger Parteitag votiert für Merkel als CDU-Chefin. Doch anderswo sammeln sich die Konservativen bereits hinter Rühe
Hamburg/Berlin (taz/AP) – Ole von Beust gab den Kurs vor, und Volker Rühe auf dem Podium erstarrte. „Ich will Volker Rühe als Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und Angela Merkel als Nummer 1 der Union“, erklärte der zum Reformflügel der Partei zählende Hamburger CDU-Fraktionschef unmissverständlich auf dem Landesparteitag am Wochenende in der Hansestadt. Die 236 Delegierten klatschten heftig Beifall. Kurz danach watschten sie ihren Hamburger Parteifreund Rühe, der erst voriges Jahr als Spitzenkandidat über die Grenze nach Schleswig-Holstein gewechselt war, auch formal ab. Als erster Landesverband der CDU beschloss die Hamburger Union mit deutlicher Mehrheit den Antrag, Generalsekretärin Angela Merkel „auf dem Bundesparteitag in Essen zur neuen Bundesvorsitzenden zu wählen“. Kurz zuvor hatten sie den Kohl-Getreuen an der Elbe bereits eine Klatsche verpasst. Landeschef Dirk Fischer, der dem Altkanzler bei dessen berüchtigtem Auftritt vor der Hamburger Handelskammer in Januar noch gehuldigt hatte, wurde mit 61 Prozent, dem schlechtesten Ergebnis seiner Amtszeit, nur knapp im Amt bestätigt. Zuvor hatte Rühe als Gastredner auf dem Parteitag erkennen lassen, dass er nicht mehr mit einem Wahlerfolg in Schleswig-Holstein am nächsten Sonntag rechnet. In einer wenig kämpferischen und leidenschaftslosen Rede beschwor der Herausforderer von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis das „Ende der Schweigespirale“. Viele Menschen in Schleswig-Holstein würden sich zur Zeit nicht trauen, „sich offen zur CDU zu bekennen“. Deshalb gebe er nicht viel auf Meinungsumfragen, nach denen die CDU weit hinter der SPD liegt. „In der geheimen Wahlkabine“ würden die Menschen es wagen, ihr Kreuzchen an der rechten Stelle zu machen, pfiff der Kandidat unter mäßigem Applaus im Walde. Noch weniger Beifall erhielt der stellvertretende Bundespartei-Chef für seine Analyse zur Lage der CDU. „Eine neue Phase“ müsse beginnen, aber „kein totaler Generationenwechsel“ in der Partei. „Die CDU“, so Rühes Schlussfolgerung, „muss nicht völlig neu erfunden werden.“
Am Rande des Parteitages wich Rühe Fragen nach seinen Ambitionen aus, Parteivorsitzender der CDU im Bund zu werden: „An dieser Debatte beteilige ich mich nicht. Ich will Ministerpräsident in Schleswig-Holstein werden.“ Zugleich räumte er ein, dass am Sonntag seine eigene politische Zukunft auf dem Spiel steht: „Für mich persönlich ist das eine Wahl, die darüber entscheidet, welche Möglichkeiten ich danach habe.“ In CDU-Kreisen heißt es derweil, er könne auch nach einer Niederlage als Kandidat für den Parteivorsitz antreten. Rühe gilt als Favorit der CSU, die besorgt ist, dass die Union unter der liberalen Ost-Frau Merkel zu weit nach links driften könnte. Rückendeckung erhielt Merkel von Vertretern des linken und liberalen Parteiflügels wie Heiner Geißler und Rita Süssmuth.
Merkel-Anhänger wie der niedersächsische CDU-Chef Christian Wulff verbaten sich jedoch Druck aus der Schwesterpartei. Merkel selbst wandte sich gegen den Eindruck, sie setzte auf eine grundlegende Neuausrichtung der CDU. Es gehe „nicht nur um eine Person, sondern um eine Mannschaft, die in der Breite das repräsentiert, was die CDU ausmacht“. Unterstützung fand Rühe unter anderem beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Der sagte er Welt am Sonntag, er halte Rühe für ebenso geeignet wie Merkel, Vogel und Kurt Biedenkopf. Der brandenburgische CDU-Chef Jörg Schönbohm befand: „Natürlich ist er geeignet für den Parteivorsitz.“
Und Friedrich Merz hat es, seit er designierter Fraktionschef ist, mit der Verjüngung der CDU nicht mehr so eilig: Zunächst müsse die Partei „die Frage klären, ob der Generationenwechsel jetzt auch schon an der Parteispitze stattfinden soll“, erklärte Merz.
Sven-Michael Veit
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