: Stille Post
■ Geflüstertes aus Kultur & Gesellschaft
Owehoweh. Was sind wir schlaff. Fix und foxi mit der Welt. Dem Suizid nah. – So klingt es von altersher, wenn die jeweils jüngste Popgeneration ihrem Weltschmerz Luft macht. Bon, OK, geht in Ordnung. Nun aber ist eine Generation angetreten, die schon beim leichtesten Seegang über Bord zu gehen droht. Zu hunderten füllten sie das „Modernes“, als dort die Leichtmatrosenriege „Tocotronic“ ihre Lieder greinte – über verlorene Samstagnachmittage, über langweilige Flohmarktbesuche, über den ewigen „Ausgehzwang“, kurz: über all das, was die Menschheit in ihren Grundfesten erschüttert, oder doch zumindest die zarten Seelchen der Pöseldorfer Schnöseltruppe. Nach Konzertschluß – oh finstere Symbolik! – sah der Rezensent ein junges Pärchen einsam am Fluß hocken, im Nieselregen immer schlaffer werdend, hilflos in den ach, so kleinen Händen ihre Beckspullen haltend: „Hallo? Können Sie mir vielleicht mal mit meinem Flaschenöffner meine Bierflasche aufmachen?“ Dochdoch, alles wahr, und wenn „Tocotronic“ das wüßten – sie würden einen neuen Song drüber schreiben.
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Papenburg? Südlich von Leer/Ostfriesland, eher klein. Aber sage keiner, daß das Städtchen, durch das sich kilometerweit die Kanäle ziehen, verschlafen ist. Eher schon irritierend: Im „Dorfplatz“– dritte Etage des 70er Jahre Einkaufscenters – wird volkstümlich das Tanzbein geschwungen. Und im „Smutje“, der authentisch-spelunkigen Alternative, einen Steinwurf davon entfernt, ist es von außen so düster, daß man die Pinte geschlossen glaubt. Weit gefehlt. Drinnen schenkt ein wahrer Smutje (niemand darf einen Schiffskoch so nennen!) Bier um Bier aus, und eine indigene Emsländerin klärt über die Papenburger auf: Die sind so schlagfertig, daß keiner mehr mitkommt, haben mit den Ostfriesen nix gemein und mit den Bremern schon gar nichts. Depressionen unter niedrigen emsländischen Himmeln? Nun ja, manche, sagt die Informantin, bringen sich schon um. taz
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