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Steuerreform: Schulterschluß und durch!

■ Koalitions-Runde beim Kanzler soll Streit mit Ländern beenden

Steuerreform:

Schulterschluß und durch!

Koalitions-Runde beim Kanzler soll Streit mit Ländern

beenden

Bonn (dpa/taz) - Unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl begann am Mittwoch morgen ein weiteres Koalitionsgespräch zur Steuerreform 1990. Es geht um die Beilegung der Auseinandersetzungen mit den Bundesländern, die im Bundesrat knapp 70 Einzeländerungen verlangt hatten. Um das gesamte Reformpaket mit 20 Milliarden Mark Nettoentlastung nicht zu gefährden, ist Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg bereit, den Ländern in einigen Punkten entgegenzukommen.

Nicht ausgeschlossen ist, daß es auch um die wieder verschärfte Diskussion über die Erhöhung von Verbrauchssteuern gehen wird, die die Bundesregierung für 1989 zur Finanzierung steigender Bonner Lasten für den EG -Haushalt eingeplant hat.

Gegen die Erhöhung von Verbrauchssteuern sprach sich vor allem das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler aus. Die von Stoltenberg zu stopfende Finanzlücke sollte besser durch den Abbau von Subventionen gefüllt werden. Fünf Milliarden seien kurzfristig zu erreichen, stellte das Institut des Bundes der Steuerzahler in einer 45seitigen Studie fest. Eine Anhebung von Verbrauchssteuern sei „um so bedenklicher, als nicht auszuschließen ist, daß möglicherweise schon im nächsten Jahr ein höherer Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung droht“.

Nach den Vorgesprächen der Finanzminister von Bund und Ländern zeichneten sich folgende Änderungen zur Steuerreform 1990 ab:

-Die Einnahmeausfälle aus der Steuerreformstufe 1990 sollen jetzt 20 Milliarden statt der zuletzt angenommenen 22 Milliarden Mark betragen.

-Schichtarbeiter, die „regelmäßig - mindestens zwingend zu 75 Prozent“ - nachts arbeiten, sollen einen größeren Betrag ihrer Schichtzuschläge als zuletzt angenommen steuerfrei erhalten. Betroffen sind vor allem die Rotationsdrucker, bei denen andernfalls von Netto-Verlusten bis zu 4.000 Mark im Jahr ausgegangen wird.

-Wahrscheinlich ist der vor allem von Baden-Württemberg geforderte fünfprozentige Preisabschlag bei der Steuer auf Belegschaftsrabatte, zu denen die Jahreswagen gehören. Bonn wollte nur drei Prozent zugestehen. Der neue Steuerfreibetrag bleibt bei 2.400 Mark.

-Von der Quellensteuer befreit werden sollen auch Zinsen auf Girokonten bis zum Zinssatz von 0,5 Prozent. Von vornherein ausgenommen werden sollen Bausparer, die wegen ihres geringen Einkommens Anspruch auf die Bausparprämie haben und einen Antrag auf die Prämie stellen. Dieser Gruppe müßte sonst in einem umständlichen Verfahren die Quellensteuer später erstattet werden. Bei der „Amnestie„ -Regelung soll es bleiben, die jedoch nicht auf andere Einkünfte ausgedehnt werden solle. Wesentliche Elemente des „Bankenerlasses“ zur Vermeidung einer totalen Kontrolle der Konten bei den Banken durch die Finanzämter sollen nicht gesetzlich verankert werden.

-Landwirten soll die Betriebsaufgabe steuerlich erleichtert werden.

-Beim Auslaufen der Investitionszulagen ist ein gleitender Übergang geplant.

-Leicht verbessert werden sollen die Zonenrandförderung und in etwas geringerem Ausmaß die Berlin-Förderung.

-Die Finanzminister bekräftigten die Abschaffung des Gesetzes über die Wohnungsgemeinnützigkeit. Damit verbunden ist die Aufhebung der Steuerbefreiungen für gemeinnützige Wohnungsunternehmen.

-Dem Vernehmen nach will Stoltenberg weiterhin die Steuerbefreiung der Hobby- und Privatflieger von der Flugbenzinsteuer vertreten. Diese besonders vom bayerischen CSU-Chef Franz Josef Strauß verlangte Befreiung hatte der Bundesrat mehrheitlich abgelehnt.

Auch wenn in diesen Einzelfragen Kompromisse zustandekommen, steht das „dicke Ende“ der Steuerreform noch aus. Angesichts des (auch durch die Reform) vergrößerten Haushaltslochs wird ein verantwortlicher Finanzminister um neue Steuererhöhungen gar nicht herumkommen.geo

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