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Steuererhöhung für AKW

■ Stromkonzerne müssen mehr Steuern zahlen, wenn AKW länger laufen

Hannover (taz) – Weil sie zuviel Geld für die Entsorgung zurückgelegt hat, muß die AKW-Industrie möglicherweise in Milliardenhöhe Steuern nachzahlen. Im Auftrag der Finanzministerkonferenz des Bundes und der Länder befaßt sich gegenwärtig ein Arbeitskreis „Bilanztechnische Fragen der Kernenergiewirtschaft“ mit der bisherigen Besteuerung der AKW-Betreiber. Im Visier haben die Finanzminister dabei jenen Milliardenbetrag, den die Betreiber jährlich als noch aufzubringende Entsorgungskosten in ihre Bilanzen eintragen. Diese Rückstellungen für die Entsorgung der AKW und des Atommülls mindern die Gewinne und damit die Steuerlast der Energieversorger erheblich. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums beliefen sich die Rückstellungen Ende 1993 auf 18,7 Milliarden Mark. 1988 waren es noch 9 Milliarden.

Der Arbeitskreis, in dem neben dem Bund auch die Finanzministerien Niedersachsens, Nordrhein- Westfalens, Bayerns und Schleswig-Holsteins vertreten sind, soll nun prüfen, ob „die Entsorgungsrückstellungen in der bisherigen Höhe berechtigt sind“. Für das Problem müsse eine neue bundeseinheitliche Regelung geschaffen werden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Hannover. Bei den Rückstellungen, aus denen später der Abriß der AKW finanziert werden solle, werde bisher eine AKW-Lebensdauer von 19 Jahren zugrunde gelegt. Inzwischen müsse man allerdings von einer Nutzungsdauer der Kraftwerke von 25 Jahren ausgehen. Entsprechend geringer sei künftig der Betrag zu veranschlagen, der jährlich für die Abrißkosten zurückgestellt werden dürfe. Wenn man die längere Lebensdauer der AKW zugrunde lege, komme es zu einer erheblichen Erhöhung der jährlich zu versteuernden Gewinnsumme. Ursache dafür sei letztlich der Wille der Energieversorgungsunternehmen, die bestehenden Atomkraftwerke so lange wie möglich zu betreiben.

Noch zu klären hat der Arbeitskreis, ob die AKW-Betreiber wegen der zu gering ausgewiesenen Gewinne Steuern nachzahlen müssen, oder ob sie lediglich in den kommenden Jahren keine weiteren Entsorgungsrückstellungen tätigen dürfen. Zu prüfen hat er außerdem, ob nach dem Verzicht auf die Wiederaufarbeitung die Rückstellungen für die Atommüllentsorgung noch den zu erwartenden Kosten entsprechen. Durch den Verzicht auf die Wiederaufarbeitung wollen die AKW-Betreiber jährlich eine Milliarde Mark einsparen. Jürgen Voges

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