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Archiv-Artikel

Sternstunde in Demokratie

betr.: „Polizei räumt Nazis den Weg frei“, taz vom 21. 8. 06

Mein Großvater war Häftling im KZ Buchenwald, und nicht nur deshalb finde ich es unerträglich, wenn Neonazis durch Berlin ziehen. Deshalb machte ich mich auch auf den Weg, um Zivilcourage zu zeigen. Ich stellte mich mit vielen anderen den Nazis in den Weg. Plötzlich, ohne Vorwarnung, sprühte die Polizei Pfefferspray in die Menge, was zur Folge hatte, dass ich mich übergeben musste. Von meiner Seite gab es keinerlei Gewaltanwendung gegen Polizeibeamte. Viel schlimmer erging es noch den zumeist Jugendlichen, die mit geröteten Augen von Sanitätern am Wegesrand medizinisch versorgt wurden. Dies zeigt, dass die Polizeiführung immer noch nicht begriffen hat, dass ziviler Ungehorsam zu einer lebendigen und streitbaren Demokratie gehört. Interessanterweise gab es bei dem Pfeffersprayeinsatz keine sog. Konfliktmanager der Polizei. Die behelmten Kollegen hätten ein Training in Deeskalation bitter nötig gehabt. Ich jedenfalls hatte eine Sternstunde in Demokratie. Auf jeden Fall war der Pfeffersprayeinsatz der Polizei vollkommen unverhältnismäßig.

HARALD HAHN, Theatermacher und Sänger Kramerprojekt