ofusaido: Stehkurve Zoo
Berliner TV-WM
Danke, liebe Deutsche Bahn. Zum Glück hast du mittels deiner Hausordnung verboten, dass Besucher sich in deinen Bahnhöfen auf dem Boden lümmeln. Schon klar: Eigentlich soll so Obdachlosen und anderem unangenehmen Volk der Aufenthalt vermiest werden. Aber das Fußballfest im Bahnhof Zoo am Sonnabend zum WM-Spiel Deutschland–Saudi-Arabien verdanken wir ebenso deinem miesmuffligen Reglement.
Dutzendweise drängelten sich die Fans um den werbewirksam mit Firmenlogos ausstaffierten Riesenbildschirm, die Reisetaschen zwischen den Beinen geparkt. Junge Pärchen mit quengeligen Gören, Opas, Teenies, ein paar Berber und einige mittelwichtige Geschäftsleute (ein wirklich wichtiger Schlipsträger fährt ja wohl keine Bahn). Und alle blieben sie, die vollen 90 Minuten, stehend und im Takt der Tore „Deutschland!“ oder „Jaaaaaaaaaaaa“ jubelnd, sofern es die Zugabfahrtszeiten zuließen. Echtes Stehkurvenfeeling, es fehlten bloß Chöre wie „Wir sind die Champions“. Dafür flötete eine Sprecherin die Kennziffern und Gleisnummern der einfahrenden Züge lautstark über die Sprechanlage.
Und dann, au weia, flegelten sich doch ein paar Jugendliche auf den Boden. Das ständig präsente Sicherheitspersonal der Bahn grummelte sich eins. Immerhin hatte die Bahn angekündigt, im Zweifelsfall die Übertragung kurzerhand abzubrechen, etwa falls es zu voll würde, „aus Sicherheitsgründen“. Ein Wachmann mit Deorollerfrisur war drauf und dran gegen die hausrechtswidrige Sitzerei einzuschreiten. Aber nix war. Die Masse der Fans stand sowieso, hier und da zischten die ersten Bierbüchsen und dann war auch schon Halbzeit. „Wie steht’s denn“, fragte ein Mann (Augen: zusammengekniffen, Brille: keine) ungläubig mit Blick auf den klein eingeblendeten Spielstand. Dann schon wieder: „Deutschlaaaaand“. Es steht 5:0 oder 6:0, wer kann schon so schnell zählen, bei all dem Trubel.
Ein Berber beginnt derweil unaufgefordert zu philosophieren: „Man soll mir mal nicht die afrikanischen Teams unterschätzen.“ Schließlich sei vor ein paar Jahren Tunesien ja fast der Gewinn der Europameisterschaft geglückt. „Wenn Deutschland gegen Kamerun verliert, dann schmeiß ich mich genau hier auf den Boden und kugel mich vor Lachen.“ Wir dürfen gespannt sein: Dienstag, 13.30 Uhr, Bahnhof Zoo. TOF
Ofusaido heißt auf Japanisch Abseits
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