Stefan Alberti weiß nicht, ob er sich über die neue Mehrfahrtenkarte bei der S-Bahn freuen soll: Aus vier mach zwei
Es war ja schon immer der falsche Begriff. Die 4-Fahrten-Karte – eigentlich eine gute Sache, weil sie gegenüber dem Einzelfahrtausweis beispielsweise in Preisstufe AB 55 Cent spart, fast ein Viertel also – war ja gar keine Karte mit vier Fahrten. Was da aus dem Automaten auf dem Bahnsteig kam, waren lediglich vier einzelne Karten, auf denen „1/4“ bis „4/4“ stand. Nicht nur, dass das mehr Papier und mehr Tinte verbrauchte – es dauerte außerdem gefühlte Ewigkeiten, bis alle vier Kärtchen im Ausgabeschacht lagen, während natürlich gerade die nächste Bahn abfuhr.
Das war schon immer ein bisschen befremdlich, vor allem, wenn man aus anderen Städten nach Berlin kam. Da war es schon seit Jahrzehnten möglich und üblich, das alles auf ein einzelnes Stück Papier zu packen. Anfangs als sogenannte Streifenkarte mit meist zehn Feldern, die immer weiter umgeknickt und abgestempelt oder noch früher „gelocht“ werden musste, bis das letzte Feld erreicht war. Oder eben sinnigerweise als ein Stück Papier in der Größe eines Einzelfahrscheins, der an jedem Ende auf Vorder- und Rückseite ein Feld zum Abstempeln bietet.
Die BVG macht da nicht mit
Mit Jahrzehnten Verzögerung soll das jetzt auch in Berlin möglich sein – jedenfalls halbwegs. Wie die Morgenpost nun als erste Zeitung bemerkt hat, hat sich bei den S-Bahn-Automaten etwas geändert: Sie spucken nun nur noch zwei statt vier Kärtchen aus, jedes zweimal abstempelbar. Aber auch immer noch zwei, denn das mit der Rückseite klappt offenbar noch nicht. Und die BVG hält sich noch ganz zurück und bleibt bei der 4-Fahrscheine-Praxis.
Jetzt stellt sich die klassische Frage: Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Freuen, dass das Ausdrucken nun nur noch halb so lang dauert? Oder ärgern, dass es nicht gleich noch mal doppelt so schnell und in einem Stück geht – wie anderswo eben?
Wobei das Ganze ja nicht nur Gutes hat, jedenfalls nicht für chronische Sachen-Verbummler. Für die kann das Ganze nämlich ins Geld gehen. Denn nun muss man den einmal abgestempelten Fahrschein ja aufbewahren bis zur nächsten Fahrt, wann immer die auch ist. Nass kann sie in dieser Zeit werden, verknicken, bis sie sich nicht mehr in den Stempelkasten reinpfriemeln lässt. Oder versehentlich im Müll landen als vermeintlich aufgebrauchte Karte, obwohl sie, im Fall von „AB“, noch 2,25 Euro wert ist. All das würde hier den Fahrpreis auf 4,50 Euro erhöhen. Dann wäre die vermeintlich positive Neuerung in Wahrheit eine klammheimliche Tariferhöhung …
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