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Stasi-Spitzel dolmetscht Herzog

■ Olaf Schlaak übersetzt dem Bundespräsidenten – und spionierte für Honecker. Auswärtiges und Präsidialamt streiten, wer ihn angeheuert hat

Berlin (taz) – Peinlich. Peinlich? Als der deutsche Bundespräsident Roman Herzog Anfang dieser Woche das Königreich Dänemark bereiste, befand sich in seinem Troß ein ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Sein Name: Olaf Schlaak. Als Dolmetscher sorgte er dafür, daß auch der Bundespräsident die Worte der dänischen Königin Margrethe II. zu deuten wußte.

Herausgefunden hat dies der Journalist Per Michaelsen, der für die dänische Tageszeitung Ekstra Bladet tätig ist. Seit dem Zusammenbruch der DDR befaßt er sich mit der Tätigkeit des MfS in Dänemark. Im Rahmen seiner Untersuchungen übergab ihm die Gauck- Behörde 1995 auch die Akte von Schlaak. Als Michaelsen ihn Anfang der Woche auf Fotos zu erkennen glaubte, die während des Herzog-Besuchs gemacht wurden, war er „entsetzt“. Gewißheit verschaffte ihm eine Überprüfung der Delegationsliste des Bundespräsidenten: Neben so prominenten Persönlichkeiten wie der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Simonis und dem deutschen Botschafter in Dänemark, Johann Dreher, zählte auch Schlaak zum offiziellen Troß von Roman Herzog.

Nach Michaelsens Recherchen studierte Schlaak am Greifswalder Nordischen Institut. „An dem Institut wurden Reisekräfte der DDR ausgebildet und Studenten als inoffizielle Mitarbeiter der Stasi angeworben“, sagte Michaelsen. Dort unterzeichnete der Dolmetscher am 28. April 1972 eine handschriftliche Erklärung, die der taz vorliegt. Schlaak erklärte darin, „auf freiwilliger Basis zum Schutz der Entwicklung der DDR inoffiziell mit dem MFS zusammenzuarbeiten“.

In den folgenden zwei Jahren bespitzelte Schlaak dänische Politiker und Journalisten in Rostock. Unter anderem gibt es ausführliche Berichte von ihm über den dänischen Politiker Jens-Peter Bonde, der für die EU-kritische Juni-Bewegung im Europaparlament vertreten ist. Ende Oktober 1973 endete Schlaaks Tätigkeit für die Stasi, da es in der Rostocker Abteilung des MfS zu einer „Dekonspiration“ kam – einem Verratsfall. In den achtziger Jahren tauchte Schlaak erneut auf der politischen Bühne auf.

Wie Herzog wußten Erich Honecker und viele andere DDR- Politiker Schlaaks Übersetzungskünste zu schätzen: „Schlaak war immer dabei, wenn die DDR-Führung mit dänischen Politikern verhandelte“, so Michaelsen. Auch bei Kontaktgesprächen von DDR- Politikern mit der dänischen Splitterpartei Det Radikale Venstre war der Spitzel stets zugegen. „Schlaak gehörte zur obersten Nomenklatura“, sagt Michaelsen.

Nach 1989 bot Schlaak seine Dänischkenntnisse als frei arbeitender Übersetzer an. Das Bundespräsidialamt bediente sich seiner in der Vergangenheit bereits zweimal bei Staatsbesuchen. Ein weiteres Mal wird Schlaak wohl nicht für Herzog arbeiten: „Wir nehmen den Vorgang sehr ernst“, sagte Roland Lohkamp, Sprecher des Bundespräsidialamts. Die Verantwortung für die Einstellung Schlaaks weist er allerdings von sich: „Die Auswahl und Bestellung der Dolmetscher erfolgt durch das Auswärtige Amt.“

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts räumte ein, daß im Fall Schlaak eine „Panne passiert“ sei. Das Amt habe im Gegensatz zu seiner Gewohnheit „nicht alles geprüft“. Dies bestätigt auch Cornelia Bull, Sprecherin der Gauck-Behörde, die Angestellte und freie Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nur auf Antrag und nicht selbsttätig auf eine ehemalige Stasi-Tätigkeit hin überprüft: „Eine Überprüfung Schlaaks wurde bei uns nicht angefordert.“ Volker Probst

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