: Stark, die Frau
■ Herrje: Carrie Hampel, die „australische Amazone“, ist in Bremen!
Spitze Schreie im Hinterhof einer Schwachhauser Villa: taz-Reporter kämpft mit starker Frau. Keuchen, die Augen treten aus den Höhlen, dann ist er unten, der Arm. Sein Arm. Keine Chance gegen die starke Frau im arm wrestling (Armdrücken).
Zittere, Bremen! In deinen Mauern hält sich Carrie, die australische Amazone auf. Wenn sie sich reckt, werden Männerknie weich, und die Frauen denken: Whow! Sooo stark können Frauen sein! Und alle wollen Amazone werden. Können sie. Carrie tritt am Wochenende im Rahmen des Straßenzirkustreffens „La Strada“ mehrfach in der Stadt auf. Die dolle Zirkusfrau bietet eine erschütternde und saukomische Performance, mit arm wrestling, einer Liegestütznummer, Feuerschlucken und Kraftakten auf Kosten der Männer. In der Show werden auch „Ehrenamazonen“ erkoren und eingekleidet. Ein martialisches Body liegt bereit.
Carrie Hampel ist 22, wenn denn Amazonen überhaupt ein Alter kennen, fast 1,90 Meter groß, extrem biegsam und muskulös, hat wuscheliges aschblondes Haar und lacht gern unbändig. Ihre Stimme ist tief. Sie stammt aus Melbourne in Australien, aus besten Verhältnissen, Mom Lehrerin, Daddy Professor. Daß sie ein bißchen anders drauf war als die anderen Mädchen, erkannte sie früh und fand es toll. „Amazone“ nannte man das knapp 1,90 Meter große Mädchen mal in Sidney. Den Namen hat sie beibehalten, die Rolle hat sie sich antrainiert, und heute sagt sie über das Image: gut! Eine starke, körperliche Frau, eine Jägerin, gefährlich und verrückt: Das genau ist sie.
Ihr in die Wiege gelegt war eine akademische Laufbahn. Mit 17 brach sie aus und besuchte eine Schauspielschule. Einer der Lehrer war Zirkusmensch, bei dem lernte sie Akrobatik und wußte plötzlich: Zirkus ist meine Welt. Sie verließ die Schule und zog ein Jahr lang mit einem Zirkus durchs Land. Die starke Carrie machte die Basis bei akrobatischen „Pyramiden“, gab den Clown, spielte Charakterrollen und auch mal den Zirkusdirektor. Doch ihr Traum wurde die Solo-Performance - Reisen um die Welt, überall nach Laune auftreten, frei sein. Und ihre Familie zitterte und bebte (sie auch ein bißchen), als sie im April 1994 mit einem one way tickett und 300 Dollar nach New York flog.
Seitdem tingelt sie durch Europa, von Fußgängerzone zu Zirkusfestival, wohnt bei Zufallsbekanntschaften und zeigt Stärke. Die brauchte sie im sehr schwarzen New Yorker Viertel Harlem, in das sie sich mal verirrte: als sie nämlich plötzlich unter lauter waffenstarrenden schwarzen Jungs rumlief; aber auch für (illegale) Auftritte auf dem Broadway, Auseinandersetzungen mit anderen Fußgängerzonen-Nutzern der Alkohol-Fraktion und die Einsamkeit. Ihre Devise: Immer sicher auftreten, „Ich gehöre hierher.“ Ersatzweise kann sie ziemlich schnell rennen. Zugeschlagen hat die starke Frau noch nie.
Immerhin: die Amazone zieht zuverlässig Trauben von Menschen an, und vom Inhalt des Hutes kann sie leben. Doch über Geld redet Carrie nicht, das führt nur zu Mißverständnissen, wenn die Leute ihre Stundeneinnahmen hochrechnen, oder zu Ärger mit lokalen Finanzämtern. Schließlich muß sie sich einiges für den Winter zurücklegen, da möchte sie sich an einer Zirkusschule fortbilden. Und darum macht Carrie in einem zerfledderten Heft jetzt richtig Buchführung - damit mal etwas Geld übrigbleibt.
Ihre Performance besteht aus zahlreichen Kraftakten und solchen, die nur so aussehen. Atemberaubend ihre Nummer mit einem Wesen aus einem Kasten mit Wabbelärmchen, mit dem sie Armdrücken macht. Gewichtige Männer dürfen sich auf ihren Bauch stellen. Frauen von ihrer Stärke profitieren. Es wird viel gelacht, und wenn das Publikum will und Spaß hat, tritt Carrie auch bei Regen auf. Dann ist genug energy da, um sie warmzuhalten.
Nächste Station der australischen Amazone ist ein Zirkusfestival in Nürnberg, danach das Münchener Oktoberfest. Im nächsten Jahr wird sie zusätzlich auch noch singen, sie findet, ihre Stimme sei operngeeignet. Und nun kommt womöglich eine Enttäuschung. Die starke Frau aus upside down land träumt von einem Apartement als Basisstation und einem Baby! Das aber müßte mit umherziehen. Denn das Wichtigste ist für Carrie die Karriere. Als Amazone.
Burkhard Straßmann
Straßenzirkustreff heute ab 10.30 Uhr, Kajenmarkt u. Hanseatenhof; ab 15 Uhr Café Sand; 21 Uhr Zelt-Gala“, Kattenturmer Markt; So13-17 Uhr, Loggermarkt/Vegesack.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen