Starbucks gegen US-Gewerkschaften: Niederlage für Kaffeekette
In den USA wollten Starbucks-Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen – der Konzern feuerte sie. Zu Unrecht, wie nun eine Richterin entschied.
Das Amt für Arbeitsbeziehungen (NLRB) sah eine „Vergeltung“ für gewerkschaftliche Arbeit und reichte Klage ein. Richterin Sheryl Lipman folgte dieser Argumentation und nannte es „gerecht und angemessen“, die fünf jungen Frauen und zwei jungen Männer weiter zu beschäftigen.
„Es war eine lange und kurvenreiche Wartezeit“, sagt Nikki Taylor am Wochenende an der Straße vor ihrem Kaffeeladen in Memphis. Die junge Afroamerikanerin ist „stolz“ auf ihre Kollegen, die im Juni, als sie selbst noch auf die Entscheidung der Richterin wartete, mit Mehrheit für eine Mitgliedschaft in der „Starbucks Workers United“-Gewerkschaft gestimmt haben.
Beto Sanchez, ein anderes Mitglied der Memphis Seven, sagte nach dem Urteil selbstbewusst: „Dies ist erst der Anfang. Wir sind nicht aufzuhalten.“ Ein Starbucks-Sprecher hingegen kündigte Berufung an: „Wir sind entschieden anderer Ansicht als die Richterin.“
Unter Vorwänden entlassen
Fünf der sieben Entlassenen saßen im Februar in dem sechsköpfigen Organisationskomitee, das Gewerkschaftswahlen in dem Kaffeeladen vorbereitete. Die Konzernleitung begründete ihre Entlassungen mit „Regelverstößen“. Unter anderem hätten die Gefeuerten ein TV-Team hinter den Tresen gelassen und seien noch nach Dienstschluss im Laden gewesen.
Für die Memphis Seven sind das Vorwände. Nikki Taylor ist für „Verstöße gegen Regeln entlassen worden, von denen ich nie gehört hatte“. Beto Sanchez sagt: „Ich bin entlassen worden, weil ich nach Dienstschluss meine Maske heruntergelassen habe.“
Starbucks, der größte Kaffeebetrieb der Welt, kultiviert ein cooles und gesellschaftlich engagiertes Image. Der Konzern Starbucks gibt sich jung, offen für Minderheiten, plakatiert Black-Lives-Matter-Sticker, wenn ein Teil der Jugend gegen Rassismus demonstriert, und dekoriert seine Läden im Gay-Pride-Monat mit Regenbogenfahnen. Nach seiner Selbstdarstellung pflegt der Konzern eine „Kultur der Wärme, in der jeder willkommen ist“.
Aber als im letzten Jahr mehrere Dutzend Starbucks-Beschäftigte aus Buffalo, New York, die Geschäftsführung in einem offenen Brief informierten, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren wollten und die dafür nötige Wahl vorbereiteten, reagierte das Management mit einer Antigewerkschaftskampagne.
Mit allen Mitteln gegen die Gewerkschaften
Ex-Geschäftsführer Howard Schultz, der 2019 vorübergehend eine US-Präsidentschaftskandidatur in Erwägung gezogen hatte, kehrte aus dem Ruhestand an die Konzernspitze zurück. In Interviews erklärte er: „Wir glauben nicht daran, dass eine dritte Partei unsere Leute führen soll.“ In dem Vokabular der Gewerkschaftsgegner ist die „dritte Partei“ eine Gewerkschaft, die das Miteinander von Geschäftsführung und Beschäftigten stört.
Starbucks schickte Spitzenmanager nach Buffalo, versuchte die Wahl zu verhindern und warnte Beschäftigte, sie würden durch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft Lohneinbußen und Beförderungschancen riskieren. Im Dezember stimmten die Beschäftigten in Buffalo dennoch für eine Gewerkschaft.
Buffalo löste eine Lawine aus. In dem zuvor gewerkschaftsfreien Konzern Starbucks haben seither bereits an die 250 weitere Kaffeeläden Abstimmungen über eine Gewerkschaftsmitgliedschaft organisiert. 40 Läden stimmten dagegen. Aber mehr als 200 stimmten bislang dafür. Angesichts von mehr als 9.000 Starbucks-Läden in den USA ist das noch eine kleine Minderheit. Aber die Aufbruchstimmung ist spürbar. Sie reiht sich ein in erstmalige gewerkschaftliche Mitgliedschaften bei anderen Konzernen wie Google, Apple und Amazon.
Je mehr Kaffeeläden sich gewerkschaftlich organisierten, desto einschüchternder reagierte die Starbucks-Geschäftsführung. Unter anderem hat sie Läden geschlossen, die sich für die Gewerkschaft entschieden haben. Sie hat kurz vor Abstimmungen stimmberechtigte Belegschaften mit neuem Personal aufgestockt, das keine Gewerkschaft will. Sie hat Zwangsversammlungen in der Arbeitszeit organisiert, bei denen „Experten“ die Beschäftigten über die Gefahren von Gewerkschaften aufklärten. Sie warnt, dass Tarifverhandlungen lange dauern können und es völlig offen ist, ob sie zu Verträgen führen. Und sie feuert Aktivisten. Nach Einschätzung des Amts für Arbeitsbeziehungen sind in den zurückliegenden Monaten mehr als 70 gewerkschaftlich aktive Beschäftigte von Starbucks entlassen worden. Das Amt untersucht Dutzende Verstöße des Konzerns gegen das Arbeitsrecht.
Mit der Gewerkschaft „Starbucks Workers United“ wollen die Beschäftigten bessere Löhne aushandeln und bei Fragen von Sicherheit und Gesundheit sowie der Arbeitszeit mitreden. Aber Anfang August hat Starbucks zunächst seine Strafaktionen intensiviert. Der Konzern hob die Löhne für sämtliche Beschäftigten im Konzern an – außer für jene, die sich für eine gewerkschaftliche Organisation entschieden haben. Bei Letzteren, so die Geschäftsführung, sei das nicht möglich, weil zunächst Tarifverhandlungen stattfinden müssten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz