piwik no script img

■ StandbildGanz unter uns

„Streng vertraulich“, Sonntag, 23.00 Uhr, RTL

Das Ganze ist natürlich streng vertraulich und bleibt unter uns: In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag quakte RTL-Quasselstrippe Britta von Lojewski in ihrer Call-in-Sendung „nachts“ mit „Puffmüttern“. Dabei outete eine Dame aus einem Koblenzer Freudenhaus (Zitat Bild: „lange, rote Fingernägel, tiefes Dekolleté“) einen hohen Bonner FDP- Politiker per eingeblendetem Foto: „Der war's!“

Mit einem Hauch von Scheinheiligkeit flötete darauf die Talk- Show-Miss-Piggy: „Wir wollen jetzt nicht verraten, wie er heißt...“, und überließ es generös der Bild, den Namen am Freitag fettgedruckt auf der Titelseite zu nennen: Dieter Julius Cronenberg, seines Zeichens Bundestagsvizepräsident. Sofort fraß TV-Wolf Helmut Thoma Kreide und entschuldigte sich persönlich bei Cronenberg, und RTL-Programmdirektor Marc Conrad bekannte: „Die Vorgehensweise war indiskutabel und entspricht nicht dem Arbeitsstil von RTL.“ In der gleichen Fax-Line, in der man sich von der Cronenberg- Degoutanz distanzierte, kündigte RTL allerdings auch eine Sendung an, in der es um programmatisch gerade diese Vorgehensweise geht: „Streng vertraulich“ – der Fall Michael Jackson. Mit dem einzigen Unterschied, daß der Fall Jackson sehr viel langweiliger daherkam als der Fall Cronenberg. Moderatorin Claudia Kirst konfrontiert uns mit der Frage: Hat es Michael Jackson mit Kindern oder nicht? Das geht mir am Arsch vorbei, fast wäre ich dabei eingeschlafen.

Diese mit quälenden Wiederholungen und nichtssagenden Interviews aufgepeppte Reportage ergab nichts Neues. Die Frage, warum es auf der einen Seite legitim ist, den vermeintlichen Obsessionen eines Popstars nachzuschnüffeln, wogegen es verwerflich sein soll, übliche Praktiken eines Bundespolitikers zu konstatieren, wurde nicht gestellt. Dafür gab es jede Menge uninteressante Antworten auf langweilige Fragen. Eine humorlos dokumentierte Schlammschlacht in Paparazzi-Ästhetik. So what?

Das einzig Wichtige zum Thema hatte die böse Jackson- Schwester La Toya bereits vor ein paar Tagen Sabine Brandi in „0137“ auf „Premiere“ gesagt. Die ganze Jackson-Familie stehe hinter Michael, weil sie finanziell von ihm abhängig sei. So etwas aber ist dann doch zu vertraulich, um „Streng vertraulich“ mitgeteilt zu werden. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen