■ Standbild: Zweiter Frühling
„Barracuda Dancing“, Di., 0.35 Uhr, ZDF
Es hätte ein schreckliches Stück Fernsehmoral werden können: Galeristin in den besten Jahren verknallt sich in blutjungen Griechen und setzt für einen zweiten Frühling ihre glückliche Familienbeziehung aufs Spiel. Man hätte eine politisch korrekte Multikultigeschichte draus machen können: Junger Grieche kommt mit der Freizügigkeit deutscher Sexualmoral nicht klar und entflieht dem selbstverschuldeten Chaos durch die Einberufung zum griechischen Militärdienst. Es hätte eine hundertfach gesehene Liebesgeschichte bleiben können: Zwei können sich trotz ihrer Leidenschaft nicht kriegen.
All diesen Gefahren sind Daniel Nocke (Buch) und Regisseur Stefan Krohmer (Regie) auf wunderbare Weise entronnen. Mit einer erstaunlichen Sicherheit, Distanz und Neugier in der Waage zu halten, nähert sich die Kamera dem Personal. Vor allem interessiert sie sich für Maren (Irene Kugler), die emanzipierte Galeristin in den besten Jahren und deren regressive Verwandlung von der reifen Enddreißigerin zur verknallten Göre. Fassungslos sind die anderen: Ihr verzweifelt verständnisvoller Lebensgefährte, die halbwüchsige Stieftochter, der sie den jungen Adonis ausspannte und Angelos griechische Eltern.
Maren aber ist entschlossen. Nach kurzem Zögern gibt sie sich den Verlockungen machistischer Leidenschaft hin, die ihren zentralen Ort in dem griechischen Tanzlokal „Barracuda Dancing“ hat. Krohmers Blick hält auch dort Distanz. Zwar gewährt er Einblicke in das Zusammenspiel leidenschaftlicher Tänzer und ihren temperamentvollen Zuschauern. Aber die mit Stolz und Sex aufgeladene Männerkultur zeigt er als Fremde. Eine hermetisch abgeschottete Enklave mitten in Deutschland.
Maren bleibt hier Eindringling, ihre Leidenschaft eine Episode. Am Ende sitzen alle wieder dort, wo sie hingehören. Trotzdem ist von „Barracuda Dancing“ etwas übrig geblieben: Es wird wieder erzählt im „Kleinen Fernsehspiel“. Endlich.
Klaudia Brunst
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