Stalins „Holodomor“ als Völkermord: Bundestag wird darüber abstimmen

Rund vier Millionen Menschen starben durch die von Stalin herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine. Nun könnte Deutschland den Holodomor als Völkermord einstufen.

Rishi Sunak vor einem Denkmal mit Schnee

Großbritanniens neuer Premierminister Rishi Sunak besucht ein Denkmal für Holodomor-Opfer am 19. November 2022 in Kiew Foto: Pressedienst des ukrainischen Präsidenten/rtr

BERLIN epd/dpa | SPD, Union, Grüne und FDP im Bundestag wollen die von der Sowjetführung verursachte Hungersnot mit Millionen Toten in der Ukraine Anfang der 1930er Jahre als Völkermord anerkennen. Dazu liege ein gemeinsamer Antrag vor, über den das Parlament in der kommenden Woche (Mittwoch, 30. November) abstimmen soll, berichteten am Freitag übereinstimmend der Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

Darin sei von einem „Menschheitsverbrechen“ die Rede, das bislang in Deutschland wenig bekannt sei. Mit dem Antrag soll die Bundesregierung dazu aufgefordert werden, zum Wissen über den sogenannten Holodomor („Mord durch Hunger“) und zum Gedenken an die Opfer beizutragen.

„Betroffen von Hunger und Repressionen war die gesamte Ukraine, nicht nur deren getreideproduzierende Regionen“, heißt es laut Spiegel in dem Antrag. „Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe. Der Deutsche Bundestag teilt eine solche Einordnung“, schreiben die Initiatoren um den Grünen-Abgeordneten Robin Wagener, Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag.

Wagener sagte der FAZ zufolge, der russische Präsident Wladimir Putin stehe „in der grausamen und verbrecherischen Tradition Stalins“. Heute werde die Ukraine erneut mit russischem Terror überzogen. „Erneut sollen durch Gewalt und Terror der Ukraine die Lebensgrundlagen entzogen, das gesamte Land unterworfen werden.“ Die politische Einordnung des Holodomors als Völkermord sei ein „Signal der Mahnung“.

Hungerkatastrophe mit 3,5 Millionen Opfern

Die unter dem Sowjetführer Josef Stalin veranlasste Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und Konfiszierung von Lebensmitteln führte in den Jahren 1932 und 1933 zu einer Hungerkatastrophe, der in der Ukraine Schätzungen zufolge 3,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Der Holodomor reihe sich ein „in die Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme, in deren Zuge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden“, zitiert die FAZ aus dem Resolutionsentwurf. Das Verbrechen sei „Teil unserer gemeinsamen Geschichte als Europäerinnen und Europäer“, heißt es darin weiter.

In der Ukraine ist die systematisch verursachte Hungersnot ein wichtiger Teil der nationalen Erinnerungskultur. Ein Gedenktag für die Opfer wird jeweils am letzten Samstag im November begangen. Anlässlich dieses Tags sei der Antrag im Bundestag vorbereitet worden, berichtete die FAZ.

Tote gab es damals auch in anderen Teilen der Sowjetunion, etwa in Kasachstan und im Süden Russlands. Mehrere Länder haben den Holodomor bereits als Genozid am ukrainischen Volk eingestuft und verurteilt, am Donnerstag vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Irland, die Republik Moldau und Rumänien.

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