: Stahlkonflikt bei Grünen zugespitzt
■ Einen Tag vor der Fraktionssitzung in Hattingen: Schoppe steht im Abseits / Kleinert, Ebermann und Stratmann auf einer Linie: „Unmißverständlich auf der Seite der Belegschaften“
Aus Bonn Oliver Tolmein
Gestern eskalierte der Konflikt um die Position der Grünen Bundestagsfraktion zur Vergesellschaftung von Stahlstandorten und zur Subventionierung der Stahlindustrie. In einer gemeinsamen Presseerklärung grenzten sich die Mitglieder des Fraktionsvorstands Hubert Kleinert und Thomas Ebermann sowie der Stahlexperte der Fraktion Eckhard Stratmann von der Fraktionssprecherin Waltraud Schoppe ab, die am Sonntag in einem Rundfunkinterview den Sinn der Subventionierung der Stahlindustrie in Frage gestellt und die Verstaatlichung dieses Industriezweiges sehr kritisch beurteilt hatte. Schoppe hatte die Subventionen für die Stahlindustrie in einem Atemzug mit den Subventionen für Kalkar genannt. Mit Verweis auf das stahlpolitische Programm der Grünen haben Ebermann, Stratmann und Kleinert dagegen betont, daß „die Grünen unmißverständlich auf der Seite der Stahlbelegschaften, die um die Sicherung ihrer Standorte und Arbeitsplätze kämpfen“, stehen. „Wir weisen strikt zurück, daß hier durch eine einzelne grüne Politikerin die grüne Stahlpolitik der nächsten vier Jahre und die programmatischen Aussagen der Grünen zur Stahlindustrie (Umbauprogramm) mißachtet werden.“ Die heutige Fraktionssit zung der Grünen findet aus Solidarität mit den Stahlarbeitern am Thyssen–Standort Hattingen statt. Distanziert hat sich auch die grüne Abgeordnete Erika Trenz aus dem Saarland von der Stellungnahme ihrer Fraktionskollegin Schoppe: „Besonders empörend ist, daß jede und jeder über Stahlabsatz und Subventionen lamentiert, aber dabei offensichtlich 30.000 Menschen und deren Existenz völlig vergißt.“ Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann hat der Tageszeitung Die Welt im Zusammenhang mit einem angeblichen Interview über die Stahl– und Kohlepolitik eine „Fälschung“ vorgeworfen. Nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei am Montag in Wiesbaden sagte Bangemann, er habe „weder ein Interview gegeben noch ein Interview–artiges Gespräch“ mit dem bei seinem Wahlkampfauftritt in Darmstadt anwesenden Korrespondenten der Zeitung, Diethart Goos, geführt. Dieser hat inzwischen in einer eidesstattlichen Erklärung versichert, doch mit Bangemann über Kohle und Stahl gesprochen zu haben. Bangemann forderte die Zeitung auf, angesichts „erdrückender Tatsachen“ ihren Standpunkt zu überdenken und sich zu entschuldigen. Das FDP–Präsidium beschloß, den deutschen Presserat mit diesem Vorgang zu befassen.
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