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Stahlbosse: Appelle, kein Angebot

■ Wortmächtiger Appell zur Vermeidung des Streiks/ Murmann: Nur noch 20 Mark auseinander/ Kritik an Lambsdorff-Vorstoß für Nullrunde/ Post-Warnstreiks ausgesetzt/ Pflegeversicherung im Spiel

Hamburg (dpa/taz) — Zwei Tage vor einem endgültigen Streikbeschluß für die Stahlindustrie hat Arbeitgeberpräsident Murmann eine Einigung ohne Streik angemahnt. Die Gewerkschafter sollten noch einmal an den Verhandlungstisch zurückkommen, beschwor er den Tarifpartner, ohne jedoch selbst ein neues Angebot zu machen oder auch nur anzudeuten. Dabei wäre alles so einfach: Es gehe lediglich noch um 20 Mark pro Monat. Die will Murmann aber nicht geben, auch wenn ein Streik angesichts dieser minimalen Differenz zwischen Angebot und Forderung „verrückt“ wäre, wie er im RIAS sagte. Auch das Mitglied der „Fünf Wirtschaftsweisen“, Hans Karl Schneider, bezeichnete es in der Kölner Zeitung 'Express‘ als verantwortungslos, wegen weniger als einem Prozentpunkt einen Streik vom Zaun zu brechen.

Die endgültige Entscheidung über einen Arbeitskampf wird an diesem Dienstag erwartet, nachdem sich mehr als 86 Prozent der 135.000 Stahlkocher in Nordwestdeutschland in der Urabstimmung der vergangenen Woche für einen Arbeitskampf ausgesprochen haben. Bei den Verhandlungen hatte die Gewerkschaft angedeutet, sie wäre bei 6,15 Prozent kompromißbereit gewesen, während sie das Arbeitgeberangebot mit 5,39 Prozent bewertet hatte.

Unterdessen bekräftigte FDP- Chef Otto Graf Lambsdorff seine Forderung nach einer „realen Nullrunde“ für westdeutsche Arbeitnehmer in diesem Jahr. Scharfe Kritik an seiner noch weitergehenden Forderung an westdeutsche Arbeitnehmer, in den nächsten drei bis fünf Jahren auf Einkommenszuwächse zu verzichten, übte die Gewerkschaft HBV. Ihr Sprecher Claus Eilrich bezeichnete den Vorstoß am Sonntag als „blanken Unsinn“. Die HBV erwarte zwar nicht, daß der FDP-Chef ihre Forderung nach 10,5 Prozent mehr Einkommen für westdeutsche Bankbeschäftigte unterstütze, doch habe man Lambsdorff „etwas mehr Fingerspitzengefühl“ für wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Realitäten schon zugetraut.

Unterdessen wurden die Tarifverhandlungen für die 56.000 Postangestellten am Samstag auf Mitte dieser Woche vertagt. Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) setzt bis dahin ihre Warnstreiks aus. DPG-Sprecher Rudi Vetter sprach nach 18stündigen Verhandlungen von einem befriedigendem Ergebnis. Die Arbeitgeber hätten angekündigt, bei der nächsten Runde ein neues Angebot für die geforderten Veränderungen der Gehaltsstruktur vorzulegen.

Einen neuen Vorschlag für eine „sozialpolitische Komponente“ im diesjährigen Tarifstreit machte der schleswig-holsteinische Sozialminister Günther Jansen (SPD). Verhandlungsspielräume könnten auch dazu genutzt werden, daß die Arbeitgeber den Gewerkschaften einen Anteil von 0,7 Prozent für die Pflegeversicherung verbindlich zusagten, meinte Jansen.

Der SPD-Vorschlag zur Pflegeversicherung geht davon aus, daß der Beitragssatz von insgesamt 1,4 Prozent Einkommensanteil je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen wird.

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