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Archiv-Artikel

Stadträte fordern Bargeld für Asylbewerber

Die Kommunalparlamente in Göttingen und Oldenburg wollen die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen abschaffen. Sie halten das System für bürokratisch und diskriminierend. Flüchtlinge werden beim Einkauf mit Wertbons angefeindet

Geht es nach den Stadtparlamenten in Göttingen und Oldenburg, erhalten Asylbewerber in Niedersachsen in Zukunft wieder Bargeld statt Gutscheine. Der Göttinger Rat sprach sich jetzt mehrheitlich für die Abschaffung der Wertbons aus. Sie bedeuteten „eine für die Betroffenen diskriminierende und bevormundende Praxis“, heißt es in der von der SPD, den Grünen, der FDP und der Göttinger Linken verabschiedeten Resolution. Die CDU stimmte gegen die Initiative.

Die Göttinger Stadtverwaltung soll sich nach dem Willen der Mehrheitsfraktionen bei der Landesregierung für die Rücknahme eines entsprechenden Erlasses einsetzen und gegebenenfalls dagegen klagen. In Oldenburg hatte sich der Stadtrat bereits im Herbst gegen „das bürokratische Wertgutscheinsystem“ ausgesprochen – einstimmig!

Das damals von der SPD regierte Land Niedersachsen hatte vor acht Jahren alle Kommunen und Landkreise angewiesen, Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge bis auf ein Taschengeld nur durch Gutscheine und so genannte Sachleistungen zu unterstützen. Die Unterstützung für diese Flüchtlinge ist ohnehin stark reduziert. Sie erhalten rund 30 Prozent weniger als deutsche Sozialhilfeempfänger.

Der Erlass sollte den Anreiz verringern, nach Deutschland zu kommen, und das Problem der Schlepperbanden eindämmen. „Soziale Integration der Asylbewerber ist nicht gewünscht, es soll möglichst unattraktiv sein, hier zu leben“, erklärte dagegen der Göttinger Arbeitskreis Asyl.

Zahlreiche niedersächsische Städte und Landkreise hatten sich lange vergeblich gegen den Erlass aus Hannover gewehrt, weil sie die Regelung für umständlich oder diskriminierend hielten. Die meisten Bundesländer geben Bargeld an die Asylbewerber aus.

Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer haben immer wieder von Anfeindungen und ausländerfeindlichen Bemerkungen beim Einkauf mit Wertgutscheinen berichtet. „Die Betroffenen müssen einkaufen wie nach dem Krieg“, so der Niedersächsische Flüchtlingsrat. Oft weigerten sich Geschäfte, die Bons überhaupt anzunehmen. Energie- und Telefonrechnungen, Anwaltskosten, Fahrkarten und Ausgaben für die Schule könnten mit den Gutscheinen gar nicht beglichen werden. Alkohol, Zigaretten oder Kosmetika gibt es mit den Bons ebenfalls nicht zu kaufen.

Ein Problem ist auch das Wechselgeld. Die Gutscheine sind auf einen festen Wert ausgestellt. Wer nicht genau für den aufgedruckten Betrag einkaufte, musste meist auf die Differenz verzichten. In Celle können die Asylbewerber nach Angaben einer Bürgerinitiative nicht ausgezahltes Restgeld von der Stadt zurückerhalten. REIMAR PAUL