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„Stadtgrün soll zerschlagen werden

■ Die Umweltdeputation soll heute neuem Gutachter-Auftrag über „Stadtgrün“ zustimmen und kannte bis gestern nicht die Ziele der Unternehmensberater. „Geheimpapier“ wurde nachversandt

„Transparenz statt Geheimbündelei“ befürchtete der Personalrat von „Stadtgrün“ gestern früh. Für heute hatte die Umweltdeputation das Arbeitsprogramm für ein neues Roland-Berger-Gutachten auf der Tagesordnung, zum dritten Mal soll die Neuorganisation von „Stadtgrün“ untersucht werden. „Das Arbeitsprogramm von Roland Berger ist ein Witz“, fand gestern die grüne Umweltpolitikerin Karin Mathes, und sie versteht nicht, wieso dafür 280.000 Mark ausgegeben werden sollen. Der Gesamtpersonalrat hätte es ihr erklären können: Seit dem Dezember 2000 gibt es schon eine Berger-Expertise, für sieben Seiten hat das Umweltressort 300.000 Mark bezahlt, und in diesen sieben Seiten steht, was mit Hilfe der Berger-Beratung durchgesetzt werden soll.

„Diese sieben Seiten liegen bis heute unter Verschluss“, beschwert sich der Personalrat. Die Umweltsenatorin wollte, dass die Deputation den Auftrag für das neue Berger-Gutachten absegnet, ohne die Expertise aus dem letzten Herbst zu kennen.

Wenige Stunden nachdem der „Offene Brief“ des Personalrats an die Deputationsmitglieder im Umlauf gekommen war, ließ die Senatorin noch schnell das bis dahin geheime Berger-Papier verteilen – „Nachsendung“ für die Sitzung, die für einen Tag später angesetzt war. Bei der Grünen Karin Marthes ließ die Senatorin sogar telefonisch nachfragen ob sie auch da sei und ob das wichtige Papier sie auch erreiche.

Roland Berger hatte den Bericht, den die Unternehmensberater von BDO gerade vor zwei Jahren über „Stadtgrün“ angefertigt hatten, gelesen. Das BDO-Gutachten war von Stadtgrün selbst in Auftrag gegeben worden und zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Umsatzsteuer- und anderen Gründen eine vollständige Privatisierung „aus rein wirtschaftlich renditeorientierter Sicht“ nicht sinnvoll sei, stellt das bis gestern geheime Berger-Papier fest. Wie dieses Ergebnis korrigiert werden kann, steht in der kurzen Berger-Expertise: Die „Berger-Berater“ wissen recht genau, was das Ergebnis ihrer neuen Untersuchung sein soll.

56 Millionen Mark „kostet“ der Eigenbetrieb Stadtgrün derzeit die Bremer Staatskasse. 1995 war aus dem alten „Gartenbauamt“ ein Eigenbetrieb gemacht worden. Ob die Rationalisierungspotenziale damit ausgeschöpft wurden, ist bisher nicht untersucht worden. Bei den 56 Millionen Mark ließe sich erheblich sparen, unterstellen die Berger-Berater. Sie unterstellen dabei, dass „die Ertragslage durch personalstrukturelle Maßnahmen substantiell verbessert werden kann“. Auf deutsch: Statt der ÖTV-Tariflöhne könnten in einer GmbH Löhne nach dem Tarifvertrag der IG Bau gezahlt werden. „Um dies zu erreichen, ist die materielle Privatisierung ein Weg, aber nicht die einzige Möglichkeit“, heißt es da in dem Berger-Papier, zwei Millionen ließen sich jährlich einsparen. Zudem könnte man für Saison-Arbeiten auch Saison-Kräfte anheuern, und das Volumen der Einsparungen liege dann „entsprechend höher“.

Vorstellbar, so die Berger-Berater, wäre auch eine Zerschlagung von Stadtgrün. Teile könnten privatisiert, einzelne Aufgaben an mittlere und kleine Betriebe in Bremen vergeben werden, und es könnte „private Ausgründungen von Teilbereichen in unternehmerischer Initiative heutiger Beschäftigter“ geben. All das spart Lohnkosten. Gleichzeitig will die Stadt ihre Aufträge an Stadtgrün reduzieren. Der Baudeputation liegt zufällig gerade jetzt gerade ein Antrag vor, die Pflege des Straßengrüns um 50.000 Mark zu kürzen.

Der Personalrat ist aus naheliegenden Gründen gegen eine 280.000 Mark teure Beratung in dieser Richtung. Stadtgrün-Chef Dr. Klaus Rautmann verweist darauf, dass er einem „offenen Gedankenaustausch“ zugestimmt habe. Glücklich über die Lage scheint er allerdings nicht: „Wir brauchen nicht ständig einen Anstoss von außen“, sagt er. Die Umwandlung in einen „Eigenbetrieb“ ist gerade fünf Jahre alt, die neuen Strukturen haben sich kaum bewährt, da soll schon wieder alles umgestoßen werden.

K.W.

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