: Stadtchefs für acht Jahre?
Laut Koalitionsvertrag sollen BürgermeisterInnen künftig acht statt fünf Jahre regieren. Doch die neue Gemeindeordnung löst bei allen Parteien im Lande Konflikte aus. Ist die lange Amtszeit eine gute Idee? Können die Stadtoberhäupter endlich vernünftig regieren? Zwei Meinungen
JA
Eine Wahlperiode von acht Jahren ist ausrücklich zu begrüßen. Gerade für neue Bürgermeister. Acht Jahre sind ungefähr die Zeit, in der er oder sie nachweisen kann, ob er die Fähigkeit und die Fertigkeiten besitzt, dieses Amt in seiner Vielschichtigkeit zu beherrschen. Projekte (zum Beispiel für die Stadtentwicklung, Verwaltungsreform, Finanzreform, Haushaltssicherung, Hartz IV) müssen angestoßen, geplant, bearbeitet, beschlossen, umgesetzt und fertig gestellt werden. Oft reicht dafür die Zeit von fünf Jahren nicht. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden dann häufig nach der Zahl der noch nicht fertig gestellten „Baustellen“ beurteilt – dies ist erfahrungsgemäß leider so – und nicht nach ihrer Innovationskraft und den vielleicht ein Jahr später vorweisbaren positiven Ergebnissen.
Auch regiert der hauptamtliche Bürgermeister nicht wie ein König: Nach der Gemeindeordnung bildet er gemeinsam mit der Ratsvertretung die Kommunalverwaltung und ist an die Weisungen des Rates gebunden. Dies bedeutet bei heterogenen Räten sowie bei Mehrheitsfraktionen, die ihren Bürgermeister stellen, einen enormen Drahtseilakt.
Auch die Bürgerschaft will einen starken Stadtchef: Durch die Direktwahl werden ihre Bürgermeister häufig mit einer hohen Prozentzahl gewählt. BürgerInnen leiten daraus gerechtfertigte Ansprüche ab („Wir haben dich schließlich gewählt“). Auch hieraus begründet sich sinnvollerweise eine längere Amtszeit. Nur diese lässt auch Raum, Projekte zu organisieren und zu bewältigen.
Für Amtsinhaber, die sich bereits in der zweiten Periode befinden, ist der Abstand zwischen zwei Wahlen nicht so entscheidend. Nach zweimal fünf Jahren haben sich Bürgerinnen und Bürger ein Bild machen können und es spielt dann auch keine Rolle mehr, ob fünf oder acht Jahre drangehängt werden. War er oder sie gut, gibt‘s Nachschlag. Und dies ist gut, die „Sonnenkönigdiskussion“ ist eine rein populistische.
Die durch die längere Amtsperiode zustande kommende Entkoppelung der Wahltermine von Bürgermeister-Wahl und Kommunalwahl hat allerdings viele Facetten: Gute Bürgermeister schleppen bei gleichzeitigem Wahltermin die Partei und ihre Fraktion mit. Dies ist nachteilig für kleinere Fraktionen, die meistens nicht den Bürgermeister stellen. Vor allem aber können sich alle Parteien schärfer profilieren, wenn die Kommunalwahl nicht durch die Bürgermeisterwahl überdeckt würde. Alle müssen so aufs Zugpferd verzichten. Und ihre Programme werden für Partei und Wähler wieder wichtiger.
LOTHAR MITTAG
NEIN
Acht Jahre Amtszeit für den Düsseldorfer CDU-Oberbürgermeister Joachim Erwin? Fast ein ganzes Jahrzehnt freie Bahn für Kölns OB Fritz Schramma oder Dortmunds SPD-Regenten Gerhard Langemeyer? Beim Gedanken an eine achtjährige Amtszeit bestimmter Bürgermeister in diesem Land kommen erste Zweifel am Sinn der anstehenden Gemeindeordnungsnovelle. Statt fünf Jahre sollen die NRW-Rathauschefs also acht Jahre lang maßgeblich bestimmen dürfen über Haushaltsplanung, Bauprojekte und Beamtenbeförderungen. Das ist eine Schnapsidee, die hoffentlich am kommenden Wochenende vom CDU-Landesparteitag in Münster gekippt wird.
Der deutsche Bundeskanzler wird für vier Jahre gewählt, ein NRW-Ministerpräsident für fünf Jahre, US-Senatoren werden stolze sechs Jahre nach Washington geschickt. Warum ausgerechnet der Verwaltungschef einer deutschen Kommune acht lange Jahre lang regieren soll, ist in diesem Vergleichsmaßstab nicht nachvollziehbar. Demokratie, auch die kommunale, braucht Kontrolle. Mit dem Vorrecht der Wählerinnen und Wähler, das politische Führungspersonal direkt oder über Parlamentswahlen in einem überschaubaren Zeitraum neu aussuchen zu dürfen, darf nicht herum experimentiert werden.
Es ist auch nicht zu viel verlangt, wenn sich Bürgermeister und Landräte (die Chefs der Kreisverwaltungen) zwei Mal im Jahrzehnt an der Wahlurne durchsetzen müssen. Wer nach fünf Jahren nicht in der Lage ist, seine Politik in einem Kommunalwahlkampf zu vermitteln, dem fehlen die politischen und kommunikativen Fähigkeiten, eine Stadt zu regieren.
Die mit der geplanten Amtszeitexpansion verbundene Schwächung der Gemeinderäte ist umso verhängnisvoller: die Kommunalkammern sollen nämlich Macht an die Bürgermeister abgeben und weiter alle fünf Jahre gewählt werden. Schon jetzt sind die Stadtversammlungen in NRW Pseudo- und Amateurparlamente. Die allermeisten Stadtverordneten sind Hobbypolitiker, die nicht einmal ansatzweise vergleichbar sind mit Bundes- und Landtagsabgeordneten. Dass die Bürgermeister immer mächtiger und professioneller ausgestattet werden, während die Gemeindevertretungen kaum noch etwas entscheiden dürfen, schwächt die kommunale Demokratie.
Noch ein Faktor spricht gegen langjährige Amtszeiten: die Medien. In vielen Städten an Rhein und Ruhr berichtet nur noch eine Lokalzeitung über das Amtsgebaren der Bürgermeister. Wo mediale Kontrolle nachlässt, darf Demokratie nicht abgebaut werden.
MARTIN TEIGELER