: Stadt als Schikane
■ Ein Künstler aus Belfast sieht Bremen
Wer nur kurz als Gast in Bremen weilt, soll ja möglichst schöne Eindrücke mit nach Hause nehmen. Bilder vom Marktplatz, vom Roland allemal; auch an den Dom, das Schnoor oder die Wallanlagen samt Mühle ließe sich denken. Nichts davon ist in den Bildern von Mark Orange zu sehen: Der Künstler aus Belfast, auf Einladung der Werkstatt-Galerie in Bremen, sieht die Stadt vor lauter Zäunen nicht. Poller, Pfähle und Bretterzäune, wohin das Auge schweift — die Stadt als eine einzige Schikane.
Aber warum soll es den Bremern besser gehen als den Bürgern z.B. in Belfast. Auch die Bilder, die Mark Orange aus seiner Heimatstadt mitbrachte, zeigen die Welt praktisch wie mit Brettern vernagelt. Wo der politisch informierte Betrachter eher Bilder aus dem Bürgerkrieg erwartet hätte, ruinöse Gemäuer, qualmende Bombenkrater etc., führt uns der Künstler lieber durch die Labyrinthe des städtischen Alltags. Gänzlich undramatisch, dafür umso befremdlicher.
Es ist der normale Wahnsinn des Stadtlebens, dem der Belfaster Künstler nachspürt. Seine Bilder — kombiniert aus Fotos und Siebdrucken — zeichnen die Irrwege und Trampelpfade durchs Gestrüpp der Städte nach. Und da erscheinen Belfast und Bremen tatsächlich wie zum verwechseln trist. Es scheint, als hätten sich die Stadtplaner heimlich auf ein Standard-Arsenal an Stadtmöblierung geeinigt, das nun, wohin wir auch treten und sehen, unsere Wege und unsere Wahrnehmung lenkt.
Und so bilden die Ecken und Kanten der Städte auch das Gerüst für Oranges Bilder. Das ist nun keine neuerliche Kritik an der Unwirtlichkeit der Städte. Mark Orange versucht vielmehr, jene Guerillataktiken in Bilder umzusetzen, mit denen wir uns — bewußt oder unbewußt — alltäglich durch Stadt schlagen. In seiner Montagetechnik vollzieht er diesen Hindernisparcours ganz praktisch nach: Ansichten von Masten, Rosten und Baugerüsten geraten da aneinander, werden drunter und drüber gedruckt und schließlich noch mit Einblicken in private Gemächer vermischt. Im Schichtenverfahren, um nicht zu sagen: in der Vielschichtigkeit des Mediums Druckgrafik hat Orange das geeignete Transportmittel für seine Kreuz- und Querblicke gefunden.
Ein solch durchtriebener Umgang mit dem Medium ist in der Werkstatt-Galerie natürlich sehr willkommen. Die BetreiberInnen der kleinen Produzentengalerie in der Neustadt haben neben Orange gleich zwei weitere Künstler aus Belfast eingeladen, die bis zum Jahresende in Bremen arbeiten und ausstellen sollen: Aisling O'Beirn und Michael Minnis, die ebenfalls in einer Künstlerkooperative, den „Flaxart Studios“, der Kunst Druck machen. Die Bremer Marion Bösen, Jan Carstensen und Dagmar Hess revanchieren sich dann im nächsten Frühjahr mit einer Gruppenausstellung im Old Museum Belfast. Thomas Wolff
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