American Pie: Stachel im Fleisch
■ Die San Antonio Spurs erschüttern Portland und schnuppern am NBA-Finale
I can still remember
„Das dreht einem den Magen um“, klagte Coach Mike Dunleavy nach der Niederlage seiner Portland Trail Blazers im zweiten Match der NBA-Halbfinalserie am Montag gegen die San Antonio Spurs. Diese gingen vor 35.260 Zuschauern im Alamodome während des gesamten Spieles nur ein einziges Mal in Führung: neun Sekunden vor Schluß durch einen akrobatischen Dreipunktewurf von Sean Elliott zum 86:85 – gleichzeitig der Endstand. „Das gibt uns gewaltiges Selbstvertrauen“, war sich Elliott danach sicher, „und sie wird es ein bißchen zerbrechen.“
Die Spurs haben ihren Heimvorteil mit zwei gewonnenen Partien im Alamodome behauptet, Portland hat nun am Freitag und Sonntag in eigener Halle Gelegenheit, die Best-of-seven-Serie auszugleichen. Es ist jedoch zu vermuten, daß die Art, wie die Niederlage in Spiel 2 zustande kam, nicht ohne Auswirkungen auf die Psyche der Mannschaft aus Oregon bleibt. Diese hat von den letzten sechs Spielen gegen San Antonio zwar fünf verloren, konnte sich aber bisher damit trösten, daß sie nie ihren besten Basketball gezeigt hatte. „Wenn wir gut spielen, ist alles in Butter“, war Isaiah Rider sicher.
Dieses Vertrauen ist nun erschüttert, denn die Blazers haben am Montag nicht nur gut gespielt, das Match dominiert und zwischenzeitlich mit 18 Punkten Vorsprung geführt, sie haben auch San Antonios gepriesenes Riesen-Duo, David Robinson und Tim Duncan, über weite Strecken kontrolliert. Überzeugend auch ihre Balance: Zehn der elf eingesetzten Spieler konnten punkten, während bei San Antonio praktisch nur die fünf Starter trafen. Verloren hat Portland trotzdem.
Das spricht für die Spurs, denen man langsam ernsthafte Titelchancen zutrauen muß, obwohl sie mit David Robinson und Avery Johnson zwei Leute in ihren Reihen haben, denen nachgesagt wird, daß sie unter Druck einknicken. „Der führt nie ein Team zur Meisterschaft“, hatte Damon Stoudamire über Johnson gelästert, am Montag mußte Portlands Spielmacher erleben, wie sein Kontrahent maßgeblich an der Aufholjagd der Spurs beteiligt war. Noch wichtiger waren allerdings die Beiträge von Sean Elliott, der sechs von sieben Dreierversuchen traf, und Mario Elie, der mit seiner Energie als Resignationsbremse wirkte.
„Er ist auf dem Platz die ganze Zeit wütend“, charakterisiert Avery Johnson den 35jährigen, der mit Houston zwei Meisterschaften holte, „und wir brauchen diese Bissigkeit.“ Auch Gregg Popovich weiß die extrovertierte Art des Veteranen zu schätzen. „Wenn wir verlieren, redet er nicht mehr mit uns“, erzählt der Coach, „wir sind dann alle Trottel für ihn, und das ist irgendwie hilfreich.“ Mario Elie gibt zu, daß er sich in seinem neuen Team anfangs nicht sehr wohl fühlte. „Wir haben viele ruhige Typen, und das entspricht nicht meiner Persönlichkeit. Ich will Aufregung und Spaß.“ Inzwischen würden aber selbst zurückhaltende Kollegen wie Duncan oder Robinson Emotionen zeigen.
Tatsächlich erwachten auch die beiden „Twin Towers“ wieder zum Leben, nachdem Elie, Elliott und Johnson San Antonio am Montag wieder an Portland herangeführt hatten. Obwohl er gut verteidigt wurde, hatte Tim Duncan, den in seinem zweiten NBA-Jahr viele bereits für den besten Spieler der Liga halten, am Ende 23 Punkte gesammelt. Mehr noch schmerzte die Blazers jedoch Sean Elliotts letzter Wurf, den dieser im Stile einer Primaballerina auf Zehenspitzen ansetzten mußte, um nicht auf die Außenlinie zu treten. „Ich gebe ihm hundert Dollar“, so Mike Dunleavy, „wenn er diesen Wurf noch mal hinkriegt.“
„Sie sind ein Stachel in unserem Fleisch“, ärgerte sich Damon Stoudamire, meinte aber: „Wir sind noch nicht am Ende.“ Sehr überzeugend klang das nicht. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen