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Stabil und doch am Abgrund

■ Fünf Jahre Selbsthilfeförderung / Der zweite Selbsthilfebericht liegt vor

Fünf Jahre Bremer Selbsthilfe – kein Grund zum Feiern. Daran ließen die VertreterInnen der Selbsthilfeprojekte gestern keinen Zweifel, als die Senatorin für Gesundheit und Soziales, Irmgard Gaertner, den „Zweiten Bremer Selbsthilfebericht“ vorstellte. Dabei verbuchte die Senatorin die „Verstetigung der Selbsthilfeförderung und das zweimalige Aufstocken der Mittel auf nun 2,4 Millionen Mark im Jahr 1994“ als Erfolg. Selbsthilfeförderung habe in ihrem Ressort einen Status, „vergleichbar dem der Frauenhäuser oder Dienstleistungs-zentren. „Da gehen wir zu allerletzt dran“, stellte sie klar.

„Der Sturm auf die Selbsthilfe hat begonnen“, erklärte dagegen Clemens Müller vom Bremer Topf, dem Zusammenschluß der Selbsthilfegruppen und -projekte. Die durch das ABM-Sterben veränderten Bedingungen für die Projekte aber würden im vorliegenden Selbsthilfebericht, der zum Teil auf Daten von 1993 basiere, noch gar nicht entsprechend berücksichtigt. „Vieles von dem was heute existiert, ist aktuell gefährdet.“ Wettmittel, bisher ein wichtiger Posten in der Projekteförderung, seien gekürzt oder sogar ganz weggefallen. Und die die kursierende „Giftliste“ mit Sparvorschlägen im Sozialbereich habe die Stimmung und das Klima, in dem die Projekte überleben müßten, zusätzlich belastet. Andere Zuwendungen, die man sich im Gesundheitsbereich beispielsweise von den Krankenkassen erhofft hatte, seien nie richtig geflossen. Über reine Bestandsicherung am untersten Existenzlevel gehe die Förderung nicht hinaus. Und über „Neugründungen“, dem Indikator für gute Selbsthilfeförderung schlechthin, gebe der Bericht keine Auskunft.

Hinsichtlich des politischen Gesamtklimas kritisierte Anja Blumenberg vom Netzwerk vor allem auch die politische Zurückhaltung der Ampelkoalition: „Von denen habe ich nie Aussagen gehört, daß Projekte unterstützt werden müssen.“ Projekte aber, und deren Personal, seien die Schnitt- und Knotenpunkte für Selbsthilfe. Ohne die Kontinuität in den Projekten sei die Selbsthilfearbeit bis in die kleinsten Gruppen beeinträchtigt. Aktuell sind von drastischer Streichung vor allem die Stellen bei der Blaumeierei, der PatientInnenstelle und den Frauengesundheitsprojekten bedroht. „Das schwächt den positiven Ansatz der Selbsthilfe“, so Anja Blumenberg. „Ohne Frauengesundheitsprojekte sind Frauenselbsthilfegruppen in dem Bereich ja gar nicht denkbar.“

ede

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