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Staatsparadenprokofieff

■ Staatliches Symphonieorchester der UdSSR ziemlich krachend in der Glocke

Die siebte und letzte Symphonie Serge Prokofieffs von 1952 folgt dem uralten „Durch-Nacht-zum- Licht“-Schema. Aus grübelndem cis-moll-Beginn arbeitet sie sich vor bis zu einem jubelnden Schlußsatz. Dazwischen ein paar launige Scherze im Allegretto und ein schön melodisches, aber nicht zu abgründiges Andante.

Die zentrale Forderung des Sozialismus an die Kunst, sie solle realistisch sein, ist natürlich nicht im geringsten erfüllt. Solche Musik steht in weiter Ferne zur gesellschaftlichen Realität. „Heiter sei die Kunst!“

Der Lebensweg von Serge Prokofieff ist rätselhaft: In den „wilden Jahren“ der sowjetischen Kultur, nach der Oktoberrevolution, war er überall auf der Welt, nur nicht in Rußland. Als die stalinistische Kulturpolitik immer rigidere Richtlinien in Fragen der Kunst erließ, kehrte er zurück. Dabei war er kein Liebling der Partei. Viele seiner Werke aus den vierziger Jahren kamen gar nicht erst zur Aufführung.

Als 1948 die KPdSU zur Offensive gegen zu „formalistische“ Künstler aufrief, war Prokofieff auch gemeint mit den Kanonaden auf Sowjetkomponisten, welche angeblich „die besten Traditionen der russischen und westlichen klassischen Musik verschmähten“ und mit ihrem „falsch verstandenen Neuerertum“ bloß noch „den entarteten Geschmack ästhetelnder Individualisten“ befriedigen mochten. Also sprach die Partei.

Prokofieff, der Jahrzehnte an der Verfeinerung der Subjektivität seiner musikalischen Sprache gearbeitet hatte, scheint am Ende solche Aufforderung zu plakativer Wirkung, zu Klassizität und Pathos, begrüßt zu haben. Seine letzten Werke beugen sich dem Zwang zur Einfachheit. Weil die Geschichte manchmal ironisch ist, starb er selben Tag wie Stalin.

Am Montag in der Glocke hat den meisten ZuhörerInnen Prokofieffs Symphonie wohl ausnehmend gut gefallen. Endlich einmal ein schmissiges und wirkungsvolles Werk des 20. Jahrhunderts! Brillant gemacht, farbig instrumentiert und voller kalkulierter Effekte. Ich muß gestehen, daß ich das Stück nicht leiden kann.

Die Interpretation von Jewgenij Swetlanow scheint direkt aus dem Geist der stalinistischen Ästhetik zu kommen. Es geht um Effekte und vor allem um Überwältigung des Publikums. Das Staatliche Symphonieorchester der UdSSR spielt unglaublich laut. Wo auf der Schallplatte Kollege Rostropowitsch (der immerhin noch mit Prokofieff zusammengearbeitet hatte) leise, vorsichtige und nachdenkliche Töne anschlägt, setzt Swetlanow auf schmetternde Blechbläser, ballerndes Schlagwerk und schwer schmachtende Streicher. Das alles ist natürlich ganz unwiderstehlich.

Prokofieffs Werk endete ursprünglich mit zweifelnden und tastenden Klängen. Der Komponist aber beugte sich später noch einmal der Kritik und lieferte einen rasanten Schluß nach. Klar, daß Swetlanow die zweite Variante auswählte.

Vorher gab–s noch Tschaikowskys 1. Klavierkonzert (Sie wissen schon, „Notizen aus der Provinz“) zu hören. Stanislaw Igolinskij trat auf, als sei er gerade dem 19. Jahrhundert entsprungen: lange graue Mähne, Tastenlöwen-Allüren, jeden Akkord knallte er mit weitausholendem Armschwung in den Flügel, und am Schluß riß er jedesmal die Arme triumphierend in die Höhe. Eine wahnwitzige Technik und zum Teil atemberaubend zarte Klangfarben waren aber auch zu bewundern. Ganz toll und ganz furchtbar zugleich. Axel Weidenfeld

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