Dokumentation: „Staatliche Willkür“
■ Reaktionen auf die Durchsuchung Bremer Medien und Privatwohnungen
Es ist empörend, wie sprachlos die SPD die Durchsuchungen hinnimmt. Es kann einfach nicht wahr sein, daß sich alle verkriechen. Das sind Zustände, wie wir sie in den 60er und 70er Jahren hatten. Ich hatte gehofft, wir hätten das überwunden.
Angelika Pensky (ehem. SPD-Landesvorstand)
Die Durchsuchungen verletzen den besonderen Schutz, den die Presse in der Rechtsetzung und Rechtsprechung genießt. In dessen Zentrum steht das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten und der Schutz von Informanten. Mißstände gerade unter Zuhilfenahme von vertraulichen Informationen aufzudecken, ist die wichtigste Aufgabe der Medien. Gaby Schuylenburg,
Vorsitzende der Bremer Landespressekonferenz
Die konzertierte Aktion der Bremer Staatsanwaltschaft gegen die Redaktionen der Hansestadt ist ein weiterer Höhepunkt in der Kette untragbarer Eingriffe der Justizbehörden in die Pressefreiheit. Der Schutz der Obrigkeit ist den Justizbehörden offensichtlich wichtiger als der Schutz der Pressefreiheit. Damit wird dokumentiert, daß der presserechtlich garantierte Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis den Ermittlern keinen Pfifferling mehr wert sind. Dies grenzt an Rechtsmißbrauch. Hermann Meyn,
Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes
Dieser dreiste Eingriff in die Pressefreiheit bedroht die im Grundgesetz geschützte Rundfunk- und Pressefreiheit. Die erneuten Durchsuchungen von Redaktionsräumen und Privatwohnungen mehrerer Redakteure in Bremen lassen erkennen, daß staatliche Willkür gegenüber Rundfunk und Presse in Deutschland gefährlich zunimmt. Die massiven Einschüchterungsversuche sollen nicht nur JournalistInnen treffen, sondern auch deren Informanten.
Unverständlich ist es für die Bremer JournalistInnen, daß der Justizsenator und Präsident des Senats bislang jede Stellungnahme zu den Durchsuchungen ablehnt. Gerade in seiner Funktion sei Henning Scherf gefordert, für die Verteidigung der Presse- und Rundfunkfreiheit einzutreten und nicht der Staatsanwaltschaft einen Freibrief auszustellen. Peter Schulz,
Fachgruppe Journalismus der IG Medien
Der Deutsche Presserat verurteilt die Vorgehensweise der Justiz, die lediglich dazu dient, die Medien als Handlanger von Polizei und Staatsanwaltschaft bei Ermittlungsverfahren zu mißbrauchen. Er fordert deshalb erneut eine Ausweitung des Zeugnisverweigerungsrechts und des Beschlagnahmeverbots auf selbstrecherchiertes Material. Lutz Tillmanns,
Geschäftsführer des Deutschen Presserates
Wenn verhältnismäßig wäre, was sich die Bremer Staatsanwaltschaft mit der Durchsuchung aller wichtigen Medien geleistet hat, könnten Presse und Funk täglich bei Dienstende ihre Schreibtische erst einmal für die Ermittler öffnen. Solche Willkürakte sollen Medien und ihre Informanten einschüchtern. Ein Vorgang, der in einem überschaubaren Stadtstaat wie Bremen für die Pressefreiheit besonders verheerend wirkt. Hilfe von Politikern können die Journalisten nicht erwarten. Diese sehen die Medien gerne am Gängelband, damit unter der Decke bleibt, was sie dort halten wollen.
Kommentar im „Südkurier“ (Konstanz)
Die Verletzung des Dienstgeheimnisses gilt als Straftatbestand (wobei sich sogar die Länge der Kaffeepausen der Beschäftigten zum Dienstgeheimnis erklären läßt). Daß ein Behördenleiter die undichte Stelle in seinem Amtsbereich aufdecken und stopfen möchte, ist aus seiner Sicht zwar verständlich. Dazu aber massiv in ein Grundrecht einzugreifen, ist rechtlich schon höchst bedenklich, politisch aber überhaupt nicht hinnehmbar. Und es wirft ein trübes Licht auf die zuständige obere politische Hierarchie-Ebene Bremens, wenn die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft auf solche Art in einem Vorgang tätig wird, in den ein Mitglied dieser Ebene verstrickt ist. Kommentar in den „Bremer Nachrichten“
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