: St. Florian für Straßenbahnen
■ Linie 4 soll bis 1995 laufen / CDU mobilisiert AnwohnerInnen gegen den Ausbau
Die vor 25 Jahren stillgelegte Straßenbahnlinie 4 soll wieder belebt werden. Sie soll Schwachhausen, Horn, Lehe und Borgfeld an das Straßenbahnnetz anschliessen. So hatte es der Bremer Senat im letzten Sommer beschlossen. Die Trasse soll im Zuge der Heerstraßen verlaufen und auf Wunsch der Gemeinde Lilienthal auf niedersächsischem Gebiet bis ans Falkenberger Kreuz ausgebaut werden. Zusätzlich soll die Linie 6 bis zur Universität verlängert werden.
Nach der Erschliessung sollen täglich 20.000 BremerInnen, sowie Pendler aus dem Umland auf die Linie 4 umsteigen, die damit die meistbenutzte Linie werden soll. Gleichzeitig sollen die jetzigen 30er-Busse entfallen, beziehungsweise erst ab Horn nach Oberneuland und Sebaldsbrück
fahren.
Die Bremer CDU veranstaltete zur Wiederbelebung der Linie 4 am Mittwoch abend eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der Bremer Straßenbahn AG, der Handelskammer, der Baubehörde, der Bürgerinitiative Lilienthaler Heerstraße und natürlich der CDU - und damit ihre Position nicht untergeht, saßen gleich drei CDU-Politiker auf dem Podium.
Bis 1995, so der ÖPNV-Beauftragte des Senats, Dr. Hans -Joachim Kahrs, soll die Linie 4 rollen. Doch die AnwohnerInnen, soweit sie anwesend waren, fürchten „Chaos und Staus“ und laufen Sturm gegen die neue Bahn. Unterstützung finden sie bei der CDU. Die hat zwar grundsätzlich nichts gegen den ÖPNV, konkret aber sehr viel gegen die
Linie 4. Ihre Alternative: Der Ausbau der Linie 6. Die soll das menschenleere Hollerland erschliessen, um dann über die „Grüne Wiese“ in einem Sicherheitsabstand neben der Lilienthaler Heerstraße entlangzusausen. Dies sei der schnellere Weg von Horn in die Innenstadt, so der CDU -Bürgerschaftsabgeordnete Helmut Pflugradt. Er rechnete vor, daß die Linie 6 auf dem Weg über die „Grüne Wiese“ nur drei Kreuzungen bis in die Innenstadt passieren muß - die geplante Linie 4 dagegen ganze zehn Stück. Wer mit dieser schnellen Ausflugsbahn ins Grüne allerdings fahren soll, wußte er selber nicht. Die 30er-Busse müßten bei dieser Planung wie bisher weiterfahren, und das sind immerhin 400 Fahrten in jede Richtung.
Aber darauf kommt es der
CDU auch gar nicht an. Sie stört vielmehr daß nach dieser Planung für den Autoverkehr auf der Lilienthaler Heerstraße nur noch eine überbreite Fahrspur in jede Richtung vorhanden sein wird. Ausschließlich die Straßenbahn soll dann auf dem ehemaligen Überhohlfahrstreifen freie Fahrt haben und das noch auf einer hochgepflasterten Rasentrasse.
Die AnwohnerInnen der Lilienthaler Heerstraße sollen für die neue Spuraufteilung stadtauswärts jeweils 2,5 Meter ihres Vorgartens abgeben. An diesem Punkt setzt die CDU an. Sie propagiert das St. Florians-Prinzip , um die AnwohnerInnen gegen die Bahn zu mobilisieren - in der Hoffnung, daß diese mit juristischen Mitteln die Bauzeit unnötig verlängern.
Matthias Kalusch
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