: Spürhund-Duo mit Schwierigkeiten
■ Auch im Krimi klappt es bislang nicht so recht mit der Wiedervereinigung — nicht unbedingt zum Schaden des Genres: »Gemischtes Doppel« — ein Berlin-Krimi von Leo P.Ard und Michael Illner
Nichts ist mehr beim Alten. Das erfährt Kommissar Markus Horstmüller von der Mordkommission des Bezirks Berlin-Tiergarten am eigenen Leib, als er nach einem mehrwöchigen Urlaub wieder seinen Dienst antritt. Nicht nur, daß sein angestammter Parkplatz von einem Auto mit — ausgerechnet — Ostberliner Kennzeichen versperrt ist, auf dem Schreibtisch seines langjährigen Kollegen Schorn flegelt sich genau dort, wo normalerweise dessen Kampffische ihre Bahnen ziehen, ein ihm unbekannter junger Mann.
Jürgen Gabler heißt der neue Kollege, frisch aus der Ostberliner Hans-Beimler-Straße importiert, wodurch der Ex-»Genosse Hauptmann« gerade noch dem Gespenst der Kündigung entkommen konnte. Blaß und verunsichert versucht er, sich an seinem neuen Platz zu behaupten, dem »Basislager, von dem aus er den Mount Everest seiner Karriere erobern sollte«. Gemeint ist natürlich der Beamtenstatus.
Deutsch-deutsche Gespanne im Post-Glasnost sind mindestens seit der Tatort/Polizeiruf110-Koproduktion ein dankbares Thema. Findige Spürhund-Duos waren es schon immer. Was wäre schließlich Sherlock Holmes ohne seinen Doktor Watson? Martin Beck ohne Lennart Kollberg? Starsky ohne Hutch? Horstmüller hat jetzt jedenfalls Gabler, oder Gabler Horstmüller. Zu schätzen wissen sie das nicht. Zu prall sind die Vorurteile, zu übermächtig die schlecht verborgenen Egos.
Das »Gemischte Doppel« aus der Feder des westdeutschen Journalisten und Krimiautors Leo P.Ard (Jürgen Pomorin) und des Ostberliner Neu-Kriminologen Michael Illner hat mehr zu bieten als nur eine spannende Geschichte. Sie zeigen, wie aus vermeintlichen Klischees auch bittere Wahrheit werden kann — und zeichnen ein sehr genaues Bild der heutigen bundesrepublikanischen Wirklichkeit.
Nicht umsonst nennt eine der weiteren Hauptfiguren, ein schnieker junger Mann mit modisch glänzendem Schädel und griffbereitem Schlagstock, sich selbst liebevoll »Göring«. Und nicht umsonst findet das Finale dieses Krimis in der Wohnung eines windigen Firmenbosses statt, der einem kleinen brandenburgischen Kaff den schnellen Aufschwung versprach.
Geschickt verbinden die beiden Autoren die zunächst unabhängigen Geschehnisse in Berlin (rund um eine russische Kaserne, der »Göring« und seine Bluthunde einen schlagkräftigen Besuch abgestattet haben) und in der märkischen Kleinstadt Baltimore, die trotz Namensverwandtschaft nichts mit der Stahlstadt in den USA gemein hat.
In Baltimore herrscht seit Jahrzehnten trügerische Ruhe. Nur durch die Geburt eines zweiköpfigen Kälbchens im Jahre 1967 geriet das Nest in die Schlagzeilen. Doch der Mord an einer russischen Übersetzerin in der Berliner Kaserne legt seine heißen Spuren direkt ins Zentrum des so schnöde vergessenen Ortes.
Aber bis Horstmüller und Gabler so weit sind, wird so manche falsche Fährte verfolgt. Nicht zuletzt, weil sie sich partout nicht als Team verstehen wollen und ihre eigenen Wege gehen.
Die knappen Zwischenberichte erscheinen dem jeweils anderen eher kryptisch als hilfreich. Das starke Eigenleben ihrer Protagonisten gibt den Autoren genügend Anlaß, jedem ihrer kurzen Kapitel eine andere Hauptfigur zu verpassen, aus deren Perspektive berichtet wird. Neben Horstmüller und Gabler sind das mal ein ebenso deutsch-deutsches, aber geistig weitaus minderbemitteltes Streifenwagenteam in einem eindrucksvoll »aufmunitionierten Kampf-Lada«, dann wieder der Bürgermeister aus Baltimore oder der so plötzlich verwitwete russische Major Tozki.
Erstaunlich, daß Ard und Illner bei diesem Wirrwarr an Personen und Orten nie den Faden verlieren. Jede der einzelnen Geschichten besitzt ihre eigene Stimmung, jede der absurd-komischen und doch so realen Situationen möchte man bis zum Ende verfolgen. Die schnodderige Sprache, die nie aufdringlich wirkt und aus der man pausenlos zitieren könnte, schafft federleichte Übergänge.
Der schönste handelt von einem Helden der besonderen Art: Er schleicht nachts unruhig an einem Heckenstreifen entlang der Baltimorer Hauptstraße, späht deprimiert auf die glänzenden Pfützen, die das Pflaster bedecken. Schließlich wagt er den Übergang, doch etwas »Gleißendes, Drohendes schraubt sich auf ihn zu... Niemand hörte seinen einsamen Schrei.« Der kleine Igel ist noch einmal glimpflich davongekommen, für Bürgermeister Wiesenbrink endet die nächtliche Autofahrt im Krankenhaus.
Für Gabler und Horstmüller schließt die Geschichte mit einer Überraschung: Fast zeitgleich treffen sie beim Täter ein. Ihre getrennten Ermittlungen haben zum selben Ergebnis geführt. Dicke Freunde werden sie deshalb noch lange nicht. Gegenseitiges Schätzen — vorsichtig angedeutet. Vielleicht legt sich das Mißtrauen ja in ihrem — hoffentlich — nächsten Fall.
Anja Poschen
»Gemischtes Doppel« von Leo P.Ard und Michael Illner, grafit Verlag, 14,80 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen