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Spuckende Überfremdung

 ■ Ein Volltreffer: „Spuckproblem am S-Bahnhof Veddel“als kulturpädagogische Herausforderung sondergleichen. Was ist mit den Pissern? n Von Silke Mertins

Spucken ist nicht gleich Spucken. Es bedarf besonderer Zungenfertigkeit, um die Körperflüssigkeit im Mund zu einer schleimigen Ladung zu sammeln und sie in einem kräftigen Schwung – und nicht etwa als Nieselregen – zu Boden zu bringen. Daß sie auf dem Pflaster landet und nicht auf der Hose oder dem Schuh, ließ den Protest der spuckefeindlichen Sozialdemokraten auf der Elbinsel Veddel jüngst zu einem Sirenengeheul anschwellen.

Ein „ständiges Gerotze und Geröhre“sei das auf dem S-Bahnhof Veddel, klagt SPDler Mathias Oldhaver. Der Gang über den Bahnsteig komme einem „Slalom“zwischen Spuckeflatschen gleich, weiß er zu berichten und begehrte in der Anfrage „Spuckproblem am S-Bahnhof Veddel“von der Verwaltung des Ortsamts zu wissen, welche Möglichkeiten sie sehe, „der Spuckerei Herr zu werden“.

Den Fragen gehen zwei Absätze interkultureller Analyse und internationalen Vergleichs voraus. „Das Spucken ist in levantinischen Ländern und in afrikanisch-asiatischen Gefilden“– kurz: im Ausland – „durchaus üblich“. Diese Erkenntnis führt geradewegs zu den Schuldigen. Da auf der Veddel ein großer Teil „aus diesen Ländern stammt, bleibt es nicht aus, daß diese häufiger auf die Gehwege spucken“. Die kulturell manifestierte Lust am Spucken habe in Singapur zu „drakonischen Strafen“für „wildes Spucken“geführt.

Grund zur Besorgnis gibt es aus sozialdemokratischer Sicht genug. „Wie hoch schätzt die Verwaltung die gesundheitliche Gefahr durch eingetrocknete und sich pulverisisierende Qualster ein, die dann mit Krankheitskeimen versehen durch die Luft wirbeln?“Das Risiko sei als „sehr gering zu bewerten“, lautete die uneuphorische Antwort aus dem Ortsamt, die dem Abgeordneten gestern zur Kenntis gebracht wurde. Auf die Frage, ob man mehrsprachige Schilder mit der Aufschrift „Spucken verboten“aufstellen könnte, ging die Verwaltung nicht ein. Gerade das aber fände SPDler Oldhaver aus kulturpädagogischen Gründen wichtig, um „Bewußtsein zu schaffen“.

Das Spucken „ist mir auch schon aufgefallen“, so GALier Mathias Bölckow. Aber keineswegs seien Deutsche des Spuckens nicht mächtig. Schließlich gab's früher – wie die SPD richtigerweise anmerkte – Spuckverbotsschilder. Und kein Schild ohne Täter.

Einigkeit besteht zwischen Rot und Grün bei dem unbefugten Ausscheiden einer anderen Körperflüssigkeit. Denn auch der Pisser als solcher fühlt sich in und um den S-Bahnhof Veddel ganz so wie vor der heimischen Kloschüssel. „Viele kommen von der Werft rüber“, hat Oldhaver Verständnis. „Wenn einer mal muß, muß er halt“, sagt Bölckow. Öffentliche Klos gebe es ja nicht. Warum Frauen besser aushalten, „weiß ich nicht“. Vielleicht säßen die auch „etwas weiter weg“.

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