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■ Mit Kuba auf du und duSprungbrett in die USA

Brüssel (taz) – „Noch in diesem Jahr wird die EU mit Kuba ein Handelsabkommen schließen“, prognostiziert Wilfried Telkämper, grüner Europaabgeordneter und Kuba-Experte. Er führt dies allerdings nicht nur auf die wirtschaftliche Öffnung der Zuckerinsel zurück, sondern vor allem auf einen Positionswandel der Bundesrepublik. Denn diese hatte bisher die europäische Kubapolitik weitgehend blockiert. Noch vor drei Jahren war die Bundesregierung nicht einmal bereit, in Verträge einzutreten, die noch aus DDR-Zeiten stammten.

Heute wittert man auch in Bonn das große Geschäft. Aus dem großen Bruder USA, dessen antikommunistische Embargopolitik man nicht stören wollte, ist der potentielle Konkurrent USA geworden, der jedoch die ökonomischen Chancen vor seiner Haustür aus ideologischer Verblendung nicht zu nutzen vermag. Dabei geht es noch um weit mehr als den kubanischen Markt: „Wenn hier eine Freihandelszone entsteht“, so Telkämper, „dann kann von Kuba aus hervorragend das amerikanische Festland beliefert werden – denn auf Dauer werden die USA ihre Isolationspolitik nicht durchhalten.“

Für diesen Tag X wollen sich die Europäer jetzt schon in Stellung bringen. Und ihre Ausgangsposition ist gut, denn bereits heute ist die EU der bedeutendste Handelspartner und Investor auf Kuba. Außerdem entfielen drei Viertel aller seit 1980 geleisteten Hilfsleistungen auf die EU – ein Großteil der übrigen Gelder stammte außerdem aus Österreich, Schweden und Finnland, bevor diese der EU beitraten. Diese „Leistungsbilanz“ findet sich in einem Bericht des britischen Europaabgeordneten Stanley Newens (Labour), der gestern in Straßburg beraten wurde. Darin unterstützt auch das Europäische Parlament die neue Linie von Rat und Kommission.

Die bisherigen EU-Zahlungen an Kuba bewegten sich in überschaubaren Dimensionen, 1994 flossen rund 25 Millionen Mark. Nach Abschluß eines Handelsvertrags könnten jedoch größere Summen fließen. Statt Entwicklungshilfe würde dann Wirtschaftsförderung betrieben. Wilfried Telkämper sieht diese Entwicklung mit durchaus gemischten Gefühlen: „Wenn mit den EU-Geldern plötzlich wieder Atomkraftwerke und Autobahnen gebaut werden können, lehnen wir das natürlich ab“, so Telkämper. Um die Fertigstellung eines halbfertigen Atomkraftwerks buhlen Siemens und Framatome. Daimler wartet schon auf Ersatz-Aufträge für die maroden Sowjet-Lkw.

Sowohl in der EU-Kommission wie auch in der kubanischen Regierung gebe es aber durchaus aufgeschlossene Ansprechpartner, meint er: „Der Zug für eine ökologisch bewußte Wirtschaftsweise ist in Kuba noch nicht abgefahren.“ Christian Rath

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