piwik no script img

Archiv-Artikel

„Springer, ich hab‘s nicht vergessen“

Die taz fragte: Braucht Deutschland viele Dutschkestraßen? Was die Leser sagen

Gar keine Frage! Wir brauchen nicht nur in Berlin eine Rudi-Dutschke-Straße. Aber da zu allererst. Schon alleine wegen der Anwesenheit des Springerverlages, der den Mordanschlag letztlich ja zu verantworten hat durch seine elende Hetzpropaganda. Ich hab’s nicht vergessen und einige wenige auch nicht! WERNER BRENIG, Koblenz

Ich bin dagegen.

MARKUS METZLER, Berlin

Ich weiß zwar nach wie vor nicht genau, wer Dutschke war und was er im Einzelnen gemacht hat. Das war schlicht vor meiner Zeit. Doch konnte ich meine Eindrücke dank eurer Sonderausgabe an Heiligabend ein wenig vertiefen. Ich halte es in jedem Falle für sinnvoll, eine oder mehrere Dutschkestraßen zu haben.

Für mein Verständnis kann man Dutschke durchaus als Symbolfigur der 68er-Bewegung betrachten. Und gerade weil diese Bewegung sehr ideell und theoretisch ausgerichtet war, verdient sie heute eine materielle Erinnerungsstruktur in einer Zeit, wo viele dieser Ideen und Ziele Gefahr laufen, über Bord geworfen zu werden. […] Für mich wäre es auf jeden Fall ein absoluter Sinnesgenuss, die Springerstraße von einem Antipoden wie Rudi Dutschke gekreuzt zu sehen. Schade nur, dass Dutschke keine Frau war, das würde die ganze Geschichte vielleicht ein wenig erleichtern. TILMAN HERWEG

Will sich die taz mit der Ehrung Rudi Dutschkes zugleich von der Aura befreien, die ihr Herberth E. Herlitschka, der Übersetzer von Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt“, verpasste? Dort heißt es: „Die verschiedenen Propagandabüros und die Hochschule für Emotionstechnik befanden sich in ein und demselben sechzig Stockwerke hohen Gebäude in der Kochstraße. Im Erdgeschoss und in den unteren Etagen lagen die Druckereien und Redaktionen der drei großen Berliner Tageszeitungen …“ Gegen diese ließ Rudi Sturm laufen. Müsste also nicht „gerade der Teil der Kochstraße, der an den Springer-Gebäuden vorbeiführt“ (taz vom 4. Januar), diesen Namen behalten und nicht vielmehr der andere Teil umbenannt werden? JÖRG BISMARK, Bremen

Wenn ich heute alte Interviews mit Dutschke höre, bin ich ergriffen von einer Zeit, in der es noch einen politischen Diskurs gab. Natürlich brauchen wir eine oder viele Dutschkestraßen. Aber ich habe Angst, dass Dutschke auf Straßenschildern zum Denkmal erstarrt als finaler Grabstein einer Bewegung, die lange schon vergangen ist. „Retro“ nennt man das. Es ist eine Mode, wie die Che-T-Shirts, und bringen uns in Erkenntnis und Gesellschaftskritik keinen Schritt weiter. Was fehlt, ist nicht der Dutschke von gestern, sondern eine Vision für die Gesellschaft von morgen. MARCEL KOLVENBACH, Köln

Mutig von euch, zur seligen Weihnachtszeit solch ein umfangreiches Dossier über Dutschke abzudrucken. Es war mir eine Überraschung! Danke!

THOMAS TEICHELMANN, München