: Sprengung wieder gesprengt?
■ Statt Partei: Asbest-Gutachten „unseriös, unvollständig, unklar“ / Senat will erneut prüfen / Rotgraue Kooperation leicht bröckelig Von Uli Exner
Die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft hatten ihre Aktuelle Stunde gestern abend fast schon abgehakt, als ein unerwarteter verbaler Sprengsatz das Parlament erschütterte. Eingebettet in eine Debatte um das Iduna-Hochhaus am Millerntorplatz attackierte Statt-Parteisprecher Klaus Scheelhaase den rotgrauen Senat samt SPD-geführtem Bezirksamt Mitte: Die Geschichte des asbestverseuchten Hochhauses mit der dazugehörigen Verkaufs-Geschichte sei „peinlich für die Beteiligten, fragwürdig im Ablauf, nicht mehr nachvollziehbar in den Einzelheiten.“
Anlaß für die Breitseite des Koalitionärs gegen die SPD: Am Nachmittag hatte das Bezirksamt Mitte die Asbest-Prüfung und -Beseitigung im Iduna-Hochhaus für abgeschlossen erklärt und die Sprengung des Klotzes auf den kommenden Sonntag terminiert. Für Scheelhaase und die heftigst applaudierende CDU/GAL-Opposition ein Unding, da sich für sie aus den beiden Gutachten des TÜV Nord keinesfalls ergebe, daß das 23stöckige Gebäude auch tatsächlich asbestfrei ist. „Dafür gibt es keinen Beweis“, erklärte Scheelhaase und monierte: Das Gutachten belege nur, daß in den vom TÜV untersuchten Gebäudeteilen kein Asbest befinde. Wann, wo und wie geprüft worden sei, stehe in dem Papier nicht. Darüberhinaus seien nur 10 und nicht wie geplant 50 Probebohrungen entnommen worden.
Böser Verdacht des Abgeordneten: Nach dem aus Sicht der Opposition und Teilen der Statt Partei zu günstigen Verkauf der umliegenden städtischen Grundstücke (taz berichtete) sei die im Hauruck-Stil verfügte Sprengung möglicherweise „ein zweites Geschenk an den Investor“.
Verständlich, daß sich der zuständige Bezirkssenator Thomas Mirow gegen diesen Verdacht entschieden verwahrte. Gleichzeitig sagte er aber eine abermalige Überprüfung des Gutachtens und des Sprengtermins zu. Die CDU will heute im Parlament beantragen, die Sprengung erneut zu verschieben.
Für Aufsehen hatte zuvor schon die Rede des GAL-Fraktionschefs Willfried Maier gesorgt. Er nährte erneut den Verdacht seiner Parteifreunde aus der Bezirksversammlung Mitte, daß beim Verkauf der umliegenden Grundstücke an den Investor ABG nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. So habe ein Mieter des Hochhauses, für die vorzeitige Auflösung seines Vertrages zumindest auf dem Papier 6,5 Millionen Mark erhalten. Eine Summe, die sogar SPD-Fraktionsvize Jan Ehlers aufhorchen ließ. Er forderte seinen Parteifreund und Finanzsenator Ortwin Runde auf, diese Vorwürfe noch einmal zu überprüfen.
Runde hatte zuvor darauf beharrt, daß die Stadt für ihre Grundstücke mit gut fünf Millionen Mark einen angemessenen Preis erhalten habe. Ursprünglich war der Grundstückswert auf 25 Millionen Mark beziffert worden. Der Senator verwies darauf, daß der Verkauf auch von der parlamentarischen Kommission für Bodenordnung abgesegnet gewesen sei.
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