: Spreizen, halten, sortieren
Fitmacher auf Autobahn-Raststätten zeigen, wie man lange Fahrten übersteht: mit Bewegung und Qualität aus deutschen Landen ■ Von Achim Fischer
„66,4 Kilogramm“zeigt die Waage an. „Wie groß sind Sie?“„Einsachtundsiebzig.“„Und wie alt?“„Achtundzwanzig.“Flugs in den Laptop eingetippt. „Sie haben einen Gewichtsindex von 20“, klärt die junge Ernährungsberaterin an der Raststätte Gudow-Nord auf. Na dann. Der Drucker rattert. „Wie hoch ist meine Überlebenschance?“Nicht schlecht, meint der Computer. Und empfiehlt eine „abwechslungsreiche Ernährung mit den ,Fitmachern' aus deutschen Landen“.
Angelika Pattki liegt derweil gut in der Zeit. Zweieinhalb Stunden hat sie für die 250 Kilometer Autobahn von Berlin bis zur Raststätte kurz vor Hamburg gebraucht. Da ist ein Päuschen locker drin. „Außerdem bin ick in Urlaub und nich ofer Flucht.“Der Herr in Weiß nickt zustimmend und rollt einen Massage-Igel über ihren Rücken. „Tut das gut?“„Ja sehr.“In der linken Hand hält sie den „Großen Autoatlas“. Mit der rechten blättert sie in dem „Fitmacher -Info“. In roten Lettern: „Qualität und Frische aus deutschen Landen“. Im Impressum: Eine Information der CMA – Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft.
Frau Pattki ist die Musterschülerin an diesem Vormittag, auf der Raststätte Gudow Nord, A 24 Richtung Hamburg. Es ist wenig los. Kaum jemand nimmt von dem Infostand und dem Herrn in Weiß Notiz: Runter von der Piste, rein in die Lücke und ab zum Stopfen. „Wir müssen auf die Leute zugehen“, sagt Lutz Jäkel, der Herr in Weiß, unter dessen T-Shirt sich Muskeln wölben, von deren Existenz unsereins bislang nichts wußte.
Jäkel ist Diplom-Sportlehrer, zur Zeit in Diensten der CMA. Zusammen mit der Ernährungsberaterin ist er das „Fitmacher-Team“. Er gibt Tips zum Entspannen: „Die Arme nach vorne strecken. Handflächen noch oben drehen, Finger spreizen. Etwas halten. Arme nach hinten nehmen. Schultern runter und zusammen lassen. Und halten.“Anschließend sortieren.
„Man muß wissen, daß ein Haufen Muskeln am Becken ansetzt“, erklärt Jäkel. Und das ist schlecht, zumindest als Voraussetzung für lange Fahrten. „Durch das Sitzen verspannen die Muskeln.“Vor allem in Schulter und Nacken. „Das führt zu mangelnder Durchblutung des Gehirns.“Konzentration und Reaktionsvermögen lassen nach. Keine gute Bedingung für eine Urlaubsfahrt, findet die CMA und schreitet ein.
„Essen und Trimmen – beides muß stimmen“, verkünden die Blättchen am Infostand: Am besten kleine Häppchen, mehrmals am Tag. Zum Beispiel solche, die man auch in der Raststätte bekommt. Bis Sonntag noch ist das Fitmacher-Team auf der Raststätte Gudow-Nord. Solange gibt es auch die Fitmacher-Menüs in der Gaststätte. Garantiert aus deutschen Landen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen