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Spreeausbau wird zum Senatskonflikt

In drei Wochen muß der Senat über seine Haltung zum Neubau der Schleuse Charlottenburg und die geplante Spreebegradigung entscheiden. Meinungsverschiedenheiten im Senat soll ein neues Gutachten ausräumen  ■ Von Ute Sander

Die Entscheidung naht: In drei Wochen muß der Senat über den Neubau der Schleuse Charlottenburg und die Begradigung der Spree entscheiden. Die Planfeststellungsbehörde hat dem Senat den Entwurf zum Planfeststellungsbeschluß bereits vor zweieinhalb Monaten zugeleitet. Doch ob die Koalition ihr Einverständnis zu dem Projekt erklärt oder es ablehnt, ist noch offen. Auch eine Informationsfahrt des Verkehrsausschusses des Bundestages mit Fachleuten ließ viele Fragen offen. „Was die Charlottenburger Schleuse betrifft, sind meine Bauchschmerzen noch größer geworden“, sagte Dagmar Enkelmann (PDS), Mitglied des Verkehrsausschusses, am Montag abend nach der Fahrt: „Aufwand und Nutzen scheinen hier in keinem Verhältnis zu liegen.“

Der Neubau der Schleuse Charlottenburg und die Begradigung der Spree sind Teil des „Projekts 17“, dessen Ziel es ist, Ostdeutschland und Osteuropa an das westeuropäische Wasserstraßennetz anzuschließen. „Wir sehen uns vor dem Problem einer fünfzigjährigen Unterlassung eines Ausbaus der Wasserstraßen“, erklärt Rolf Brodback von der Senatsverwaltung Bauen, Wohnen und Verkehr. Für Brodback ist klar, daß ein riesiger Bedarf besteht. Tatsächlich aber verzeichnet die Binnenschiffahrt auf deutschen Gewässern seit Jahren sinkende Umsätze. Die Prognosen für das Aufkommen von 110 Meter langen Schiffen, für die der Ausbau von Havel und Spree vorgesehen ist, liegt für das Jahr 2010 bei vier bis sechs Schiffen pro Tag.

Die ökologischen Folgen des Projekts wären für den Charlottenburger Spreebogen bedenklich: 13,1 Hektar als sehr wertvoll eingestufter Lebensraum für Vögel und kleine Säugetiere gingen verloren, die Vertiefung der Spree würde nach Aussagen von Fachleuten den Trinkwasserhaushalt durcheinanderbringen. 250 Kleingartenzellen und 300 Arbeitsplätze bei acht Unternehmen sind gefährdet.

Eine Alternative zur Spreebegradigung wäre der Ausbau der Schleuse Plötzensee, bei dem die Schiffe den Westhafen über den Havelkanal statt über die Spree erreichen könnten. Diese von Kritikern vorgeschlagene Variante wurde jedoch bisher aus Kostengründen abgelehnt: „Nach unserem Kenntnisstand ist die Variante des Neubaus der Schleusen Spandau und Charlottenburg auf 110 Meter, wobei die Schleuse Plötzensee erhalten bleibt, die kostengünstigste“, sagt Detlef Aster, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes. Zu Informationen, daß die Schleuse Plötzensee später ebenfalls ausgebaut werden soll, schweigt Aster. Auch Lisa Peters (FDP), Mitglied des Verkehrsausschusses im Bundestag, liegt auf der selben Linie: „Der Bundesverkehrswegeplan sieht die Schleuse Charlottenburg vor und fertig.“

Im Senat herrscht jedoch Uneinigkeit über den Plan der Bundesregierung: Während Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) hinter dem Projekt steht, ist Umweltsenator Peter Strieder (SPD) dagegen. Strieder stützt sich auf ein Gutachten der Firma Kluwe, das lediglich den Ausbau einer Kammer der vorhandenen Schleuse Charlottenburg und eine geringfügige Abflachung des Spreebogens vorsieht. Inzwischen hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) eingegriffen und ein Obergutachten in Auftrag gegeben. Dieses soll in drei Wochen vorliegen. Wie die verschiedenen Modelle „miteinander koordiniert“ werden können, ist derzeit aber unklar.

„Ich sehe nicht, wie man das zusammenfügen will“, wundert sich Annette Faße (SPD) über diese Vorgabe. Der Kenntnisstand sei der gleiche wie vor einem Jahr, bis heute läge weder ein Kostenvergleich vor, noch sei die Frage der Ersatzflächen geklärt. „Die angebotenen Ersatzflächen für die Kleingärtner wurden bereits bei anderen Projekten, zum Beispiel beim Transrapid, versprochen“, bestätigt Marcel Charpentier vom Bezirksverband der Kleingärtner Charlottenburg.

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