piwik no script img

Sprache, die einem die eigene nimmt

■ betr.: "Sie müssen das ganze System zerschlagen", Interview mit CDU-Mediensprecher Bernd Neumann, taz vom 3.8.90

betr.: „Sie müssen das ganze System zerschlagen“, (Interview mit CDU-Mediensprecher Bernd Neumann), taz vom 3.8.90

Das Interview mit Bernd Neumann, in dem er seine Ansichten und Vorstellungen von der Zukunft des Fernsehens in der DDR und BRD erläutert, hat mir wieder gezeigt, was Leute alles unter „Demokratie“ verstehen. Zum Beispiel, daß man dem Zuschauer in der BRD zubilligt, daß er sich mit seinem Sender identifiziert hat, deshalb sollen Strukturen bei ARD und ZDF nicht verändert werden. Der Zuschauer in der DDR hat sich nicht - auch nicht seit dem Herbst '89 - mit seinen Sendern zu identifizieren, deshalb wird das „System, bis auf einige pfiffige Sendungen, zerschlagen“.

Zutiefst betroffen aber bin ich über die Aussagen zum Selbstreinigungsprozeß - der mit der Entnazifizierung verglichen wird - beim DFF. Da wird auf die miesesten menschlichen Eigenschaften und Handlungen wie Denunziation und Verleumdung spekuliert und das in einer Sprache, die einem die eigene nimmt. Ich bin weder beim DFF noch war ich in der SED, befürchte aber trotzdem, daß es gelingt, dann nur noch Leute zu übernehmen, die auch Leuten wie Herrn Neumann genehm sind, wenn sie vielleicht auch noch nicht ganz so demokratisch sind, wie er. Genausowenig bezweifle ich nicht, daß es Leute gibt, denen beim Lesen dieses Interviews nicht speiübel wird, wie mir.

Marion Mille, Berlin-Ost

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen