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Sportlich, intelligent, kreativ

■ Gilla Kremers Odyssee Embryonale – Ein Fötodram am Thalia in der Gaußstraße

Neue Flexibilität dank „Uter-Rent“ verspricht die Werbung. Und das alles ganz einfach. Man bleibt flexibel, die Hobbys müssen nicht warten, die hässlichen Streifen am Bauch bleiben aus. Der Katalog preist „Erstklassige Leihmütter“, robust und drogenfrei – und wenn sie aus der Dritten Welt stammen, garantiert atomar unverstrahlt.

Das ist kein Scherz, aber der Name einer Leihmütter-Verleihfirma, den sich die Schauspielerin Gilla Cremer für ihr Stück Odyssee Embryonale, Untertitel Ein Fötodram ausgedacht hat. Das Stück hat sie 1987 als erstes Solostück entwickelt. „Damals war Leihmutterschaft ein heißes Diskussionsthema, und jeder wollte das Stück sehen“, sagt Gilla Cremer. 250 Mal stand sie damit inzwischen landauf, landab auf den Bühnen. Und es zeigt sich dieser Tage, dass das Thema nicht verjährt ist. Die Diskussion hat durch die Forschung an Stammzellen eine neue Dimension erreicht.

„Umdenken“, das Politische Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V., greift das Thema in einer Podiumsdiskussion mit dem Titel Odyssee Embryonale. Was steckt hinter der Kontroverse um die Stammzellenforschung? auf. Das Podium ist mit der Hamburger Politologin Ingrid Schreiber, Mitglied der Enquêtekommission für Recht und Ethik der modernen Medizin, und Norbert Stute von der Universitätsklinik Eppendorf, Fachgebiet adulte Stammzellenforschung, hochkarätig besetzt.

Und weil Gilla Cremers Fötodram in diesen Kontext nach wie vor wunderbar hineinpasst, wurde sie gefragt und wird ihr Stück nun noch einmal leicht gestrafft am 12. Oktober im Thalia in der Gaußstraße zeigen. Bei allem Ernst des Themas gerät die Odyssee dabei doch höchst unterhaltsam. Flott geht es da im Dario-Fo-Stil zur Leihmuttersache. In der Regie von Max Eipp schlüpft Cremer in die Rollen sämtlicher beteiligter Figuren.

Turbulent gestaltet sich das Leben der erfolgreichen Werbefrau Margot Varrell, die unverhofft schwanger wird. Und das just in dem Moment, als ihr Chef ihr einen riesigen Karriereschritt verspricht. Was tun? Sie will beides, das Kind und die neue Agentur in Mailand aufbauen. Da kommt die spanische Putzfrau Franziska gerade recht, deren Schwester zudem beim Leihmutterservice „Uter-Rent“ arbeitet. Der Embryo wird übertragen. Margot genießt neuen beruflichen Ruhm und freut sich auf den Moment, an dem sie ihrem Mann Charly das mühelose „Endprodukt“ präsentieren kann. Doch es kommt anders. Eine Reaktorkatastrophe sät Misstrauen, und dann muss sich Franziska ausgerechnet noch verlieben. Das so gut geplante Unternehmen droht zu scheitern.

Gilla Cremer wurde vor allem mit ihren eigenen Produktionen Die Kommandeuse, Medea und Vater hat Lager in Hamburg bekannt. In der Odyssee Embryonale klagt sie den menschlichen „Machbarkeitswahn“ an, das „grenzenlose Denken“. Wie soll das Kind sein? Intelligent? Immer. Sportlich oder kreativ? Heute scheint die Schre-ckensvision, sich eines Tages das Wunschkind gentechnisch maßschneidern zu lassen, gar nicht so weit weg. Annette Stiekele

Freitag, 12. Oktober, 20 Uhr, Thalia Gaußstraße 190

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