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Sport ist Mord

■ Der Friedensforscher Johan Galtung über Sport und Machtpolitik

Bei der Übertragung der Olympischen Winterspiele aus Lillehammer saß der Norweger Johan Galtung in Hawai vor dem Fernseher. „Ich war natürlich ein bißchen stolz, daß mein kleines Land so erfolgreich war“, erzählt er. Dann stimmten die ZuschauerInnen in Lillehammer ihr Siegerlied an, und dem Friedensforscher lief es im warmen Hawai kalt den Rücken runter: Der Schlachtgesang „Unser ist der Sieg“, den das nordische Völkchen sang, war derselbe, der am 8.Mai 1945 in Oslos Straßen zum Sieg über Hitlerdeutschland gesungen worden war. Mit der Anekdote war Galtung mitten im Thema seines Vortrages bei der Fachtagung „Weiterbildung und Sport“, nämlich „Sport als Instrument interkulturellen Lernens und internationaler Verständigung.“

Leistungssport als Beitrag zur Völkerverständigung – mit dieser These räumte der Friedens- und Konfliktforscher gründlich auf. Im Gegenteil: „Der internationale Leistungssport bestätigt und rechtfertigt die geopolitische Weltordnung“. Von allen Medaillen bei Olympischen Spielen sind nach Galtungs Berechnungen 85 Prozent an eine Fünfergruppe von Staaten gegangen: Die USA, die Sowjetunion, die beiden Deutschlands und an Großbritannien. Von den 33 olympischen Sportarten sind 32 aus der westlichen Welt – nur Judo kommt aus Japan. „Die olympischen Spiele zementieren damit die Erfahrung, daß es in der Welt ein paar Zentren und sehr viel Peripherie gibt“, meinte Galtung.

Von der These, der sportliche Wettkampf zwischen den Nationen ersetze die Kriege, hält Galtung nichts. „Denn die fünf sportlichen Großmächte waren mit ihrer Medaillenernte nicht zufrieden, sondern sind auch für etwa 85 Prozent der globalen Gewaltanwendung verantwortlich.“ Galtung sieht den Sport nicht als Kriesgersatz, sondern als Ikone eines Lebensstils, der dem „schneller, höher, weiter“ verpflichtet ist. „Wenn man sich die Leistungssportler betrachtet, dann zeigt sich eine fast faschistoide Konzentration auf eine kleine Gruppe von 18 bis 25 Jahren und eine Apartheid der Geschlechter. Das sind die Menschen, die vor allem Militär und Kapital gebrauchen können. Nicht umsonst war Sport im alten Griechenland immer Wehrsport.“

Für Galtung ist der Leistungssport ein Ausdruck der westlichen „Tiefenkultur“ – wichtiger, aber unterbewußter Vorstellungen von Staat und Gesellschaft. „Im Sport spiegelt sich die Konkurrenz und die Bedeutung der Zeit bei uns, es geht nur ums Gewinnen, alles in allem ein perfektes Bild der westlichen Zivilisation.“ „Nicht zu ernst“ wollte Galtung dann seinen Versuch verstanden wissen, Nationen bestimmte Sportarten zuzuordnen. Europa und USA bevorzugen demnach die individualistischen Konkurrenzsportarten Tennis, Golf und Fußball, Rußland und Japan die komplizierten Strategiespiele Schach und Go, China das Brettspiel Mah-Jong und Indien das englische Crickett. Was wird davon bleiben in 500 Jahren, wenn man die Lage der Nation am jeweiligen Nationalsport mißt? „Indien wird sowieso überleben, denn das langweilige Crickett ist eine Vorbereitung auf die Ewigkeit. Auch China wird überleben, denn sie rechnen im Spiel und im Leben mit dem Zufall. Japan und Rußland könnten sich mit der Strategie „er glaubt, daß ich glaube, daß er glaubt“ in komplizierten Verwicklungen wiederfinden. Und die Zeit für den individualistischen Leistungssport nach westlichem Vorbild ist sowieso fast abgelaufen.“ bpo

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