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Spielrausch und Siegeswille

■ Achtelfinale der US-Open in Flushing Meadow: Martina Navratilova überraschend gegen Manuela Malejewa ausgeschieden, John McEnroe beim Sieg gegen Emilio Sanchez im Spielrausch

New York (dpa/taz) - Monica Seles und Stefan Edberg hatte es bereits früh erwischt, Steffi Graf war bei ihrer schwachen Partie gegen Elna Reinach gerade noch einmal davongekommen, nun erwischte es Martina Navratilova. Vor den US Open von Flushing Meadow hatten die 33jährige, die in diesem Jahr bereits Wimbledon gewann, mal wieder vollmundig verkündet, daß die Siegerin von Flushing Meadow die wahre Nummer eins sei, und sich, angesichts der offenkundigen Formschwäche ihrer größten Konkurrentinnen, gute Chancen auf den Titel ausgerechnet. Doch Manuela Malejewa machte ihr einen dicken Strich durch die Rechnung.

Im letzten Jahr hatte Navratilova gegen die für die Schweiz startende Bulgarin noch 6:0, 6:0 gewonnen, und auch diesmal zog sie schnell auf 4:1, 40:15 davon. Doch dann wendete sich das Blatt. Malejewa holte sich den Durchgang mit 7:5, verlor den zweiten Satz mit 3:6, hatte im dritten dann aber die stärkeren Nerven, das bessere Spiel und mehr Glück. Ein Netzroller machte das 6:3 für die 23jährige perfekt.

„Es ist schön, daß es hier so viele Überraschungen gibt“, meinte Navratilova nachher, „nur schade, daß diese Überraschung auf meine Kosten ging.“ Zum erstenmal seit 1989 war die Weltranglistenzweite bei den US Open vor dem Viertelfinale gescheitert, mahnte die Journalisten aber sogleich: „Macht keine Schlagzeile: Martina tritt zurück.“ Mehr zu sich selbst, fügte sie jedoch hinzu: „Aber alles ist möglich“, und zeigte sich auch sonst von gelinden Selbstzweifeln geplagt: „Ich weiß nicht, ob mein Siegeswille noch hundertprozentig da ist.“

Hundertprozentigen Siegeswillen hatte zuvor in einem gigantischen Match, das die 20.000 Zuschauer im Louis -Armstrong-Stadion immer wieder von den Sitzen riß, John McEnroe bewiesen. Vier Stunden und zwanzig Minuten benötigte der New Yorker, um den auf höchstem Niveau spielenden Spanier Emilio Sanchez niederzukämpfen. Nur einmal, im ersten Satz, haderte McEnroe diesmal mit dem Schiedsrichter, ansonsten war er brav wie ein narkotisierter Panther - ganz im Gegensatz zu seinem Drittrundensieg gegen Andrej Tschesnokow, in dessen Verlauf er sich mit einer Zuschauerin angelegt hatte. Nachdem diese ihn immer wieder mit Zurufen provoziert hatte, baute sich McEnroe vor ihr auf, reckte ihr sein Arbeitsgerät entgegen und brüllte: „Noch einmal, und ich schiebe dir diesen Schläger in den Hintern.“ Seine Kontrahentin blieb ungerührt und konterte mit einem knappen: „Arschloch“.

Gegen Sanchez verließ sich John McEnroe auf seine spielerischen Mittel, die er so brillant einsetzte wie lange nicht mehr. Wie im Rausch vollführte er Halbvolleys der delikatesten Sorte, Volley-Stopps, so butterweich wie sein Benehmen, sichere Überkopfbälle und immer wieder plazierte Volleys, denen der 25jährige Spanier trotz seines phänomenalen Laufvermögens schließlich Tribut zollen mußte. Dabei erreichte Sanchez die unmöglichsten Bälle und spielte sie glänzend zurück, sehr zur Verblüffung McEnroes, der häufig schon triumphierend die Faust ballte und plötzlich wieder losrennen mußte, weil der Ball wider Erwarten doch noch zurückkam. Einziges Manko bei Mac: die Passierschläge, die ihm besonders mit der Rückhand gründlichst mißrieten. Der 31jährige machte diese Schwäche aber durch Kampfgeist wett, außerdem ist Sanchez ja nicht gerade als Angriffsspieler berühmt.

Nachdem McEnroe den ersten Satz mit 7:6 im Tie-Break für sich entschieden hatte, schien ihn der glatte Verlust des zweiten mit 3:6 auf die Verliererstraße zu bringen. Auch den nächsten Satz gewann der Spanier souverän mit 6:4, doch als alles auf den physischen Zusammenbruch McEnroes wartete, kam die wundersame Regeneration des Amerikaners. Unter dem Jubel des Publikums und seiner Ehefrau Tatum, die immer wieder jauchzend aufsprang, wurde McEnroe wieder aggressiver und sicherer, holte sich den vierten Durchgang mit 6:4, schaffte im fünften Satz sofort ein Break zum 2:0 und ließ sich diesen Vorteil nicht mehr nehmen. 6:3 hieß es am Ende und McEnroe, der im Viertelfinale auf David Wheaton (USA) trifft, dachte schon an die Zukunft: „Es ist toll, so ein Match zu gewinnen, aber noch schöner wäre es, ein noch größeres Match zu spielen.“

Matti

Achtelfinale, Männer: Pete Sampras (USA) - Thomas Muster (Österreich) 6:7, 7:6, 6:4, 6:3; Ivan Lendl (CSFR) - Gilad Bloom (Israel) 6:0, 6:3, 6:4; John McEnroe (USA) - Emilio Sanchez (Spanien) 7:6, 3:6, 4:6, 6:4, 6:3; David Wheaton (USA) - Kevin Curren (USA) 7:5, 7:6, 4:6, 6:4.

Frauen: Manuela Malejewa (Schweiz) - Martina Navratilova (USA) 7:5, 3:6, 6:3; Gabriela Sabatini (Argentinien) Helena Sukova (CSFR) 6:2, 6:1; Mary Joe Fernandez (USA) Judith Wiesner (Österreich) 6:3, 6:2; Leila Meskhi (UdSSR) Linda Ferrando (Italien) 7:6, 6:1

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