: Spielhäuser vor dem Aus
■ Einsparungen: fünf von zwölf Häusern in sozialen Brennpunkten von Schließung bedroht
Fast die Hälfte der Bremer Spielhäuser für sozial benachteiligte Kids stehen vielleicht schon in diesem Jahr vor dem Aus. Der Personalrat vom Amt für Soziale Dienste Mitte-West befürchtet, daß fünf von insgesamt zwölf Einrichtungen in Bremen für immer ihre Pforten schließen. Frei werdende Stellen würden nicht neu besetzt, der Betrieb könne so nicht aufrechterhalten werden. Die Mitarbeiter der Spielhäuser sorgen sich: Sie fürchten steigende Zerstö-rungswut bei den Kids in den Hochhausvierteln und noch mehr stromernde Kinder auf den Straßen.
Die Spielhäuser stehen in sozialen Brennpunkten, in Wohngebieten mit vielen Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Ausländern mit kinderreichen Familien. Viele Schlüsselkinder gibt es hier, die ins von morgens bis abends geöffnete Spielhaus flüchten statt auf der Straße herumzustreunern. Das werden sie in Zukunft wohl müssen. Denn wenn jetzt Mitarbeiter der Spielhäuser in Rente oder Erziehungsurlaub gehen, werden sie wegen des Einstellungsstopps im Öffentlichen Dienst nicht ersetzt. „Das trifft diese Einrichtungen besonders hart“, klagt Personalrätin Anne Grunert. Pro Haus gebe es nur eine bis anderthalb Stellen.
Zum Beispiel das Spielhaus Im Pürschweg in Blumenthal: Mitarbeiterin Anneliese Körner freut sich auf ihre Pension ab 1. August, doch mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ihre Kollegin bleibe allein zurück, mit 20 Wochenstunden. „Da können wir gleich dichtmachen. Es ist beängstigend, wenn die Kinder dann wieder auf der Straße landen.“ Auch eine Mitarbeiterin im Grambker Fockengrund befürchtet, daß eine gefährliche Spirale in Gang gesetzt werden könnte: Wer sich langweile, fange an zu demolieren, und so gehe das gewalttätige Spiel ewig weiter.
In den anderen drei betroffenen Häusern an der Herbststraße in Findorff, der Wischmannstraße in Kattenturm und der Lüssumer Heide in Lüssum ist die Stimmung ähnlich gespannt. Zwar habe sich für das Spielhaus Lüssumer Heide eine rettende Lösung mit einem privaten Träger gefunden, verrät Personalrätin Grunert. Doch damit sei das Problem nicht aus der Welt: „Wir fordern eine generelle Ausnahme vom Einstellungsstopp, wie ihn auch die Kindertagesstätten schon haben.“ Im Mai noch habe Sozialsenatorin Tine Wischer erklärt, daß Spielhäuser gewollt und gewünscht seien. Jetzt entpuppe sich das als hohles Versprechen.
Ähnlich sieht es Spielhaus-Mitarbeiter Michael Weimann aus der Herbstraße in Findorff. Er geht in Erziehungsurlaub und damit auch die einzige Stelle des Hauses baden. „Offene und kostenlose Kinder- und Jugendarbeit scheint politisch nicht mehr erwünscht zu sein“, vermutet er. Die Sozialsenatorin habe auf Anfragen bisher nicht reagiert und müsse sich jetzt endlich äußern.
Olaf Joachim, Sprecher von Sozialsenatorin Christine Wischer verweist auf den finanzpolitischen Knebel im Sozialbereich: „Wir kriegen kein Geld und müssen 120 Stellen einsparen.“ Eine generelle Ausnahme für die Spielhäuser sei nicht zu machen. Vielmehr könne man bei einzelnen Häusern individuell verhandeln. Das jedoch lehnen Personalrat und Spielhauspädagogen ab. „Da werden Stellen einzeln verschachert, uns geht es um eine Gesamtlösung“, sagt Pädagoge Weimann. kat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen