: Spielerischer Raumgewinn
Von realen und fiktiven Revieren und Spielfeldern: Victoria Hauke präsentiert Pärk beim „feuer + flamme“- Festival auf Kampnagel ■ Von Marga Wolff
Pärk heißt ein altes schwedisches Ballspiel, das den Regeln nach auf Raumgewinnung zielt. Danach hat Victoria Hauke ihr neues Stück benannt. Und es ist sicher ebenso ein bisschen strategisch gedacht, wenn die Hamburger Choreographin und Tänzerin von sich sagt: „Indem ich stets fremdes Gebiet betrete, halte ich das Interesse an meiner Arbeit wach.“ Farben und Raum sind wichtige Motive ihrer Produktionen, die sie seit etwa drei Jahren zusammen mit der bildenden Künstlerin Katrin Bethge entwickelt. Für ihr jüngstes Projekt Pärk, das in einer Werkstattaufführung bei „feuer + flamme“ auf Kampnagel gezeigt wird, hat sie außerdem die Künstlerin Lydia Hartmann gewonnen, die eines ihrer fiktiven Spielfelder auf den Tanzteppich malen wird.
Vier Overheadprojektoren entwerfen da imaginäre Räume für drei Tänzerinnen; eine von ihnen ist Hauke selbst. „Katrin hat ein wundervoll leichtes, flexibles Bühnenbild aus verschiebbaren Wänden und einem riesigen Ball geschaffen“, schwärmt sie, stolz darauf, dass in diesem Spiel zwischen Tanz und Projektion mit einfachster, analoger Technik beachtliche Wirkung erzielt wird.
Der visuelle Aspekt war stets prägend für die Arbeit der Choreographin. Ursprünglich wollte sie nämlich Malerin werden. Der Schulterschluss mit der bildenden Kunst ist für die Tänzerin daher verständlich. Seit zehn Jahren arbeitet Victoria Hauke nun in der Hansestadt. Nach ihrer Ausbildung in Modernem Tanz an der Martha Graham School in New York und der Mitwirkung in diversen Tanzprojekten in den USA, in Lissabon und schließlich in Ulm kehrte sie 1991 in ihre Geburtsstadt Hamburg zurück.
Seither bestachen ihre Choreographien vor allem durch verblüffende Perspektivenwechsel und ungewöhnliche Raumwirkungen. In shift 1994 beim „Junge Hunde“-Festival auf Kampnagel etwa hangelten sich vier Tänzer durch ein stählernes Rad. Between von 1995 war ein Tanzstück mit live gefilmten Videoeinspielungen, in dem sich drei Tänzerinnen über den Köpfen der Zuschauer abseilten und dann die Wände hochkraxelten. Konzipiert war das Stück damals für das Alabama Kino. Denn Hamburgs chronische Spielstättennot wirkte sich schon damals (nicht nur negativ) auf den Tanz aus.
Die Abhängigkeit von Theatern hält Victoria Hauke deshalb auch für wenig fruchtbar und hat sich für ihre Auftritte bereits diverse Kunsträume und Galerien erschlossen. In Kooperation mit dem Museum für Kunst und Gewerbe entstand 1999 margo.
Eine weitere Fassung der Stücke zeigte Hauke im Architektur Cent-rum. „Der bildnerische Aspekt“, sagt sie, „öffnet den Tanz für ein neues Publikum.“ Dass sie als „alter Hase“ bei „feuer + flamme“ jetzt neben den ganz jungen Anfängern auftritt, stört sie nicht. „Mir geht es um die Arbeit und die Möglichkeit, meinen Ansatz weiter zu entwi-ckeln“, sagt die schmale Tänzerin mit dem rot gefärbten Haarschopf.
Für Pärk erhält sie finanzielle Unterstützung von der Hamburgischen Kulturstiftung. Eine Förderung in Etappen sozusagen. Und wenn das Ergebnis der auf Kampnagel gezeigten Kurzfassung gefällt, soll ein Abendfüller daraus werden. Wo dieser dann aufgeführt wird, steht noch nicht fest. Das bedeutet für Victoria Hauke, weiterhin innovative Kontexte für ihren Tanz zu schaffen, neues Gebiet zu erobern. Eine Idee ist, das Tanzspiel Pärk in einem Schuppen im Hamburger Hafen zu präsentieren. Neben der experimentellen kennt Hauke auch die kommerzielle Seite choreographischen Arbeitens. Ihr Geld verdient sie meist mit Choreographin für Messen und Firmenevents. „Ein krasser Unterschied, wenn man bedenkt, dass ich dort in drei Tagen so viel verdiene, wie hier im freien Tanz vielleicht in sechs Wochen.“ Doch durch das Tempo, mit dem im kommerziellen Bereich gearbeitet wird, sagt sie, habe sie auch eine Menge gelernt. „Man muss unglaublich schnell Entscheidungen treffen.“ Aber Leerlauf kennt Victori Hauke auch als Freischaffende nicht. „Auch wenn gerade keine Produktion ansteht, gehe ich ins Studio und probiere Dinge aus. Denn meine Ideen entwickle ich stets über den Körper.“
Victora Hauk: Pärk, Donnerstag, 4. sowie Freitag, 5. April, 21 Uhr, Kampnagel k1
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