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Spiel mit der Differenz

betr.: „Die Spuren werden verwischt“ von Pascale Hugues, taz vom 10. 11. 99

Ihr Mitfühlen für die BürgerrechtlerInnen/Ost in Ehren, auch Ihr nostalgischer Blick auf deren Aktionsformen bis 89 sei Ihnen unbenommen; dennoch ein paar nüchterne Anmerkungen:

1. jonglieren nicht Völker („die Deutschen haben wieder mal...“) mit politischen Symbolen herum, sondern Regierungen mit den dazu bestallten Kulturbürokraten.

2. Wenn Sie als Französin („wir ausländischen Korrespondenten“) schon dermaßen auf nationaler Differenz bestehen – hier die masochistischen Deutschen mit ihrer dissidentengereinigten Rednerliste, dort der fantasiesprühende Jack Lang mit Lichterkette, Rostropowitsch und „14.-Juli-Feeling“, dann gestatten Sie doch bitte auch Ihren Nachbarn im Osten das Spiel mit der Differenz, die Gelegenheit, die unsägliche „Mauer im Kopf“ noch ein paar Jahre länger als offiziell angeordnet zu pflegen beziehungsweise sie so langsam, wie jeder kann, abzutragen.

[...] 3. Von den Personen, deren Namen Sie mit guten Gründen aufzählen, waren zum Beispiel Poppe und Pflugbeil gestern im (Deutschland-)Radio zu hören, und sie klangen, zugegeben, sehr verbittert. Es schadet aber, glaube ich, nicht, darauf hinzuweisen, dass ihre Lage von vielen, einzelnen wie Gruppen (ich denke auch an meine heranwachsenden Kinder), geteilt wird, deren „Emanzipationsbestrebungen“ unter den Gesetzen des Marktes zunächst (?) mit Konsumangeboten beschieden werden.

Die tatsächlich herrschende Interpretation von Glasnost und Mauerfall als „Möglichkeit, Märkte im Osten zu erschließen“, muss, aber nicht auf symbolischer Ebene, bekämpft werden; leider stehen da „Ihr“ Jospin und „unser“ Schröder als „Marktstrategen“ gemeinsam auf der falschen Seite. Waldo Ellwanger, Oldenburg

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