: Spiel mit dem Feuer
■ Neue Viren durch Genmanipulation
Mit Gentechnik den Welthunger besiegen, dieses Zukunftsversprechen der Gentech-Lobby könnte sich bald in das Gegenteil kehren. Daß die Manipulation mit dem Pflanzengenom doch nicht so ungefährlich ist, wie von den ProtagonistInnen behauptet wird, zeigen Laborversuche, die an der Universität von Colorado durchgeführt wurden.
Im Wissenschaftsmagazin Science berichten die PflanzenvirologInnen Ann E. Greene und Richard F. Allison über Experimente mit transgenen Pflanzen, bei denen neuartige Viren entstanden sind. Die US-ForscherInnen hatten kleine Abschnitte der Erbsubstanz von Viren in das Genom von Pflanzen übertragen. Mit diesem als „Präimmunisierung“ bezeichneten Verfahren sollte den Pflanzen eine Resistenz gegen den Befall von Viren verliehen werden. Diese Methode ist vergleichbar mit einer Impfung zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Bei vier von insgesamt 125 Pflanzen entdeckten die VirologInnen jedoch später, daß die ins Genom eingebauten Virusteile mit anderen, natürlichen Viren zu einem neuen Virustyp rekombiniert haben. Auf diesem Weg können also durchaus neuartige Viren mit einem erhöhten pflanzenpathogenen Potential oder einer veränderten Wirtspezifität entstehen.
Die vor gut acht Jahren entwickelte Methode der gentechnischen Präimmunisierung wird bereits in vielen Laboratorien angewandt, um virusresistente Nutzpflanzen zu entwickeln. Einem OECD-Bericht zufolge wurden bei fast zehn Prozent der über 1.300 weltweit durchgeführten Freisetzungsexperimente Virus-resistente Pflanzen verwendet, die mit viralen Genen ausgestattet waren. Und auch bei anderen Gentech-Pflanzen finden sich häufig Genabschnitte viralen Ursprungs. So besaßen zum Beispiel auch die in der Bundesrepublik freigesetzten Kölner Petunien virale Gensequenzen. Ebenso finden sich in den Basta-resistenten Mais- und Rapspflanzen der Hoechst-Schering-Tochter AgrEvo, deren Freisetzung jetzt zur Entscheidung ansteht, Regulationselemete, die aus einem Virusgenom stammen.
Mit der Anzahl der freigesetzten Pflanzen wird sich auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß etwas Unvorhergesehenes passiert. Die von den beiden US-ForscherInnen aufgestellte Forderung, daß die Neubildung von Viren in die Risikoabschätzung von Freisetzungsversuchen unbedingt miteinfließen müsse, könnte vielleicht schon zu spät kommen. Bei den bisher durchgeführten Freisetzungsexperimenten ist nur in wenigen Fällen untersucht worden, ob neue Viren entstanden sind. Wolfgang Löhr
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