piwik no script img

■ Nebensachen aus JohannesburgSpaziergang unter Ungeheuern

Auch nach jahrelangem Leben in Afrika kann ich von meinen allzu deutschen Gewohnheiten einfach nicht lassen. Ich gehe immer noch gern spazieren. In Johannesburg ist das eine echte Herausforderung. Wald gibt es natürlich nicht, aber, was kaum jemand weiß, Johannesburg gehört zu den grünsten Städten der Welt. Doch Südafrika ist eine Autogesellschaft, und zu Fuß läuft nur, wer arm (also schwarz) ist. Lieber fährt man auch hundert Meter zum Briefkasten mit dem Auto, denn man könnte ja überfallen werden.

In den sogenannten Northern Suburbs, den reichen nördlichen Vororten, trifft man selbst tagsüber kaum eine Menschenseele. Die verängstigten Weißen leben unsichtbar hinter meterhohen Mauern, Stacheldraht und Alarmanlagen. Nur die schwarzen Dienstboten sieht man frühmorgens und am späten Nachmittag auf der Straße. Irgendwo zu Fuß hinzugehen halten die meisten Weißen für lebensgefährlich. Wer Kinder hat, verbringt als Mutter seine Tage überwiegend damit, sie herumzufahren und wieder abzuholen.

In den neueren Vierteln hat man gleich auf Bürgersteige verzichtet. Anders ist das noch in den älteren Teilen der Stadt, deren Namen schon verraten, daß sie ins Grüne geplant wurden: Parkview, Parktown, Parkhurst. Zwar sieht man es hier den Bürgersteigen an, daß sie kaum noch jemand benutzt. Meistens werden sie irgendwann in Blumenbeete umgewandelt. Doch immerhin, etwas kurvenreich läßt sich sogar noch ein Kinderwagen herumschieben, seit einem Jahr noch ein Grund mehr spazierenzugehen.

Richtig erholsam ist das aber auch nicht. Nicht etwa wegen des Geschreis meiner Tochter am frühen Abend. Nein, Spazierengehen ist eben eine echte Mutprobe. Hinter jeder Mauer und jedem Gartentor lauern sie. Hinterhältig. Mordlüstern. Aggressiv. In jedem Garten haust mindestens ein lechzendes Ungeheuer. Manchmal sind es sogar mehrere. Die sind am späten Nachmittag ebenso gereizt wie kleine Kinder. Fängt einer an zu bellen, tun sie es ein paar Sekunden später alle, in der gesamten Nachbarschaft.

Am Schäferhund im Nachbarhaus traue ich mich nur mit gesträubten Haaren und eingezogenem Kopf vorbei. Meistens mache ich auch noch die Augen zu. Den kleinen Kläffer, den er noch im Schlepptau hat, ignoriere ich heroisch, obwohl einem fast das Trommelfell platzt. Im Haus gegenüber hängen die zwei riesigen Bestien jedesmal schon oben auf der angeblich unüberwindbaren Mauer, wenn sie uns nur von weitem sehen. Bis ich es in den kleinen, etwa 300 Meter entfernten Park geschafft habe, habe ich jedesmal zitternde Knie und bin in Schweiß gebadet. Meine Tochter findet die Hunde lustig und unterhält sich in einer Geheimsprache mit ihnen.

Sie hat natürlich schon begriffen, daß Hunde gute Freunde des Menschen und außerdem der beste Schutz gegen Einbrecher sind. Sagt unsere Vermieterin auch immer. Deshalb haben wir jetzt auch einen Hund, seit ein paar Monaten. Er ist ein bißchen dumm und so freundlich, daß er jedem Einbrecher schwanzwedelnd auf den Schoß springen würde. Zum Glück wissen die das nicht. Seitdem unser Hund auch mit spazierengeht, bellen dafür die anderen Hunde aber noch lauter. Kordula Doerfler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen