Spaßguerilla foppt Ex-Bundespräsidenten: Köhler und seine Kuckucksuhren
Der Ex-Bundespräsident wurde vom „Executive Club“ nach Warschau eingeladen. Köhlers Biografie auf der Club- Homepage liest sich eigentümlich.
BERLIN taz | Sie werben tatsächlich damit: Horst Köhler, seines Zeichens deutscher Bundespräsident außer Dienst, „war eine zentrale Figur in der argentinischen Finanzkrise 2001 und bewies sich selbst als rechtschaffener Glaubensanhänger der neoliberalen Politik.“
So steht es in englischer Sprache auf der Website des „Executive Clubs“, der damit für Köhlers Teilnahme an einem Elite-Treffen in Warschau wirbt. Außerdem preist die Biografie: Horst Köhler sei der Sohn eines Metzgers und in Deutschland bekannt für seine beeindruckende Sammlung von Kuckucksuhren. Für Leute mit feinem Humor finden sich noch ein paar andere Nettigkeiten in den wenigen Zeilen.
Tatsache ist: Die Veranstalter des „European Executive Forum“, bei dem am 10. und 11. April im Sheraton-Hotel in Warschau eine Elite von polnischen und internationalen Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenkommen soll, auf eine Gruppe deutscher Spaßguerillas hereingefallen, die die Seite www.horst-koehler-consulting.de betreibt. Auf der Seite wird etwa Helmut Kohl als „Teammitglied“ und „Head of Secret Accountance“ bezeichnet. Dahinter steckt der Berliner Aktionskünstler, Clown und frühere taz-Kolumnist Jean Peters. Er hatte im Juni 2010, direkt nach Köhlers Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten, die satirische Homepage online gestellt.
Die Veranstalter des polnischen Elite-Treffens wandten sich an die Kontaktadresse auf der Seite und baten um eine Biografie Köhlers. Sie wunderten sich auch dann nicht, als ihnen Horst Köhlers beeindruckende Sammlung von Kuckucksuhren untergejubelt wurde. In einer Antwort-Mail bedankte sich eine Mitarbeiterin für die biografische Zusammenstellung mit den Worten: „That's perfect!“
Köhler war Ende Mai 2010 von seinem Amt als Bundespräsident zurückgetreten und hatte dies mit der Kritik an seinen Äußerungen zu Afghanistan begründet. Zuvor hatte er als Präsident gesagt, dass „im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege.“
Und es hat „Peng¡“ gemacht
Aufsehen um die nicht besonders aufwendig gemachte Satire-Seite gab es schon damals. Nachdem sie kurzfristig extrem hohe Zugriffszahlen verzeichnet hatte, ging die Seite plötzlich vom Netz. Eine aufgetauchte Drohmail ließ die Vermutung aufkommen, dahinter steckte das Bundesverwaltungsamt, einer dem Bundesinnenministerium unterstellten Behörde. Das wies jegliche Beteiligung jedoch stets zurück. Letztlich klärte sich der Sachverhalt nie auf.
Am Dienstag kommentierte Peters die biografische Note Köhlers gegenüber der taz so: „Es ist bedauerlich, dass Horst Köhler tatsächlich die Richtung eingeschlagen hat, die wir damals – mit satirischen Mitteln – prophezeit haben. Er ist genau in dem Feld zwischen Wirtschaft, Politik und Militär unterwegs, vor dem wir damals mit ein bisschen Spaß warnen wollten.“
Peters ist einer der Mitbegründer der Berliner Aktionsgruppe „Peng!“. Diese orientiert sich an Vorbildern wie den US-amerikanischen Yes Men, die in der Vergangenheit immer wieder mit spektakulären Aktionen Schlagzeilen machten. „Peng!“ wirbt für mehr Aktionen zivilen Ungehorsams und eine subversivere Protestkultur. Zuletzt hatte die Spaßguerilla in internationalen Medien für Aufsehen gesorgt, als Peters mit einem Kollegen einen sogenannten Science Slam des Ölkonzerns Shell sprengte.
„Hier kann man den Stecker ziehen“
Die beiden Aktivisten hatten sich unter falschem Namen um eine Vortragsmöglichkeit beworben und angekündigt, einen Motor vorzustellen, der die Luft reinigen würde. Bei ihrer Performance flog ihr Motor allerdings in die Luft und verspritzte literweise Öl-Imitat. Der Protest richtete sich gegen Öl-Bohrungen in der Arktis. Die Botschaft: „Hier kann man den Stecker ziehen, in der Arktis nicht“. Mit der Aktion schafften es die Künstler bis in US-amerikanische und afrikanische Medien.
Ob sie es mit diesem Mini-Hoax nun auch in polnische Medien schaffen, wird sich zeigen. Aber zumindest unter polnischen Sicherheitsexperten dürfte sich im April die Gelegenheit ergeben, die Sache mit den Kuckucksuhren zu klären. Ein Sprecher aus dem Büro von Horst Köhler reagierte jedenfalls ermuntert auf eine Anfrage der taz. Ihm sei nicht bekannt, dass Herr Köhler eine Kuckucksuhrensammlung besitze. Aber er wolle das gerne mal prüfen.
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