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Spannungsverhältnis-betr.: "Schwarzer Tag für Frauen", "Die Frau hinter dem Fötus", taz vom 5.7.89

betr.: „Schwarzer Tag für Frauen“, „Die Frau hinter dem Fötus“, taz vom 5.7.89

(...) Die erneute Diskussion der Abtreibung, provoziert im wesentlichen durch konservative Trends in den USA und auch der BRD, sollte, will sie nicht rein plakativ bleiben, berücksichtigen, daß die historischen Gegebenheiten nicht mehr denen der sechziger und siebziger Jahre entsprechen. Damals wie heute litt die Diskussion auf beiden Seiten (Abtreibungsgegnerinnen und -befürworterinnen) unter der jeweiligen Ausblendung der anderen Argumentationslinie. Blendeten die „Lebensschützerinnen“ das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung aus, so andersherum die „§ 218-Gegnerinnen“ das Existenzrecht des Föten. Wobei anzumerken wäre, daß letzteres den „Lebensschützerinnen“ in der Regel nur als Hilfskonstruktion diente, um ihre konservativen Wertvorstellungen durchzusetzen.

Nach jahrtausendelangem Entzug des weiblichen Selbstbestimmungsrechts durch eine männlich dominierte Gesellschaft war die Ausblendung des fötalen Existenzrechts im Kampf um die Anerkennung einer selbstbestimmten Lebensplanung der Frau, was das Recht auf Abtreibung einschloß, vor 20 Jahren eine historische Notwendigkeit. Die grundsätzliche Anerkennung dieser Forderung fand in dem gesetzlich festgeschriebenen Recht auf Abtreibung ihren, wenn auch in vielen Fällen nicht umsetzbaren, gesellschaftlichen Ausdruck.

Seither hat sich die Situation neben gleichbleibenden Umständen jedoch in einem Punkt entscheidend geändert. Weiterhin bestehen für Frauen große Probleme bei der Durchführung von Abtreibungen, zielen die Argumente der konservativen „Lebensschützer“ nicht auf Verbesserung der Situation der Kinder und noch weniger der der Frauen. Dagegen erfordern die sich abzeichnenden Möglichkeiten der Gentechnologie und einer im Schlepptau derselben neu aufkommenden Diskussion um Eugenik und Sterbehilfe eine anders gewichtete Bewertung des Lebensrechts des Föten. Bei der Abwägung der Interessen: Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts auf seiten der Frau gegen das Recht des Föten auf Schutz seiner Existenz, stehen sich heute anders als früher nicht mehr nur zwei individuelle Interessen und zusätzlich das Interesse der Frauen an grundsätzlicher gesellschaftlicher Anerkennung ihres Selbstbestimmungsrechts gegenüber. Heute tritt die Forderung nach der Abwehr einer Manipulation am Menschen, die nicht nur aus Gründen der Praktikabilität, sondern auch wegen des schwachen Lebensschutzes, am Fötus durchgeführt wird, hinzu. Dadurch entsteht in diesem Interessengegensatz ein neues Spannungsverhältnis.

Soll das Recht auf Abtreibung grundsätzlich erhalten bleiben und sich gleichzeitig eine vorbeugende Haltung gegenüber gentechnologischer Manipulation am Fötus entwickeln können, deren Negativfolgen ohnehin in erster Linie Frauen zu erdulden hätten, erscheint es mir unsinnig, den Interessengegensatz als solchen zu verleugnen. Als Ausdruck einer solchen Haltung muß frau dann konsequent die gesetzliche Verankerung des „Lebensschutzes“ von Embryonen als verheerend bezeichnen. Eine solche Haltung verkennt jedoch die historisch gültigen gesellschaftlichen Gegebenheiten und kann deshalb weder zur intellektuellen Bewältigung der anstehenden Problematik beitragen, noch Möglichkeiten einer politischen Handlungsstrategie aufzeigen. Von daher läßt sich die Kampf-Forderung „mein Bauch gehört mir“ heute nur noch halten, wenn frau von dem „Inhalt“ des Bauches abstrahiert, mit allen sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Konsequenzen. In eben dieser Zwangsläufigkeit gesellschaftlicher Konsequenzen liegt der historische Unterschied.

Ulrich Kütz, Bremen 1

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