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Spaniens Blätter welken

Zeitungssterben in Madrid: Nach „YA“, der zweitältesten Tageszeitung Spaniens, steht nun auch die linke „Diario 16“ vor dem Ende  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

„Wenn nicht noch in allerletzter Minute ein Wunder geschieht, ist hier am Freitag Feierabend“, wiederholte der Betriebsratsvorsitzende Miguel Revuelta in der letzten Woche unermüdlich. Die Hoffnung war vergebens. Das Zeichen Gottes blieb genauso aus wie Investitionen in letzter Minute. Die zweitälteste Madrider Tageszeitung, die katholische YA, verabschiedet sich von den hauptstädtischen Kiosken. Was am 14. Januar 1935 mit der Schlagzeile „Saarland beschließt in einer Volksabstimmung Anschluß an Deutschland“ begann, endete am Wochenende mit einer Sonderbeilage zum Aufstieg und Niedergang des Blattes.

Von den restlichen vier spanischen Zeitungen schreiben nur drei schwarze Zahlen: Die größte des Landes El Pais, die sensationalistische El Mundo und die fast hundertjährige konservative ABC. Bei Diario 16 hingegen glaubt kaum noch jemand daran, im Oktober das 20jährige Jubiläum feiern zu können.

YA war nicht in der Lage, sich der veränderten politischen Situation nach Ende der Diktatur anzupassen“, sagt Betriebsratschef Revuelta. Einst mit den Geldern der spanischen Bischhofskonferenz gegründet, gehörte YA in der Diktatur zu den großen Zeitungen des Landes, die ihre hohe Auflage mit den Provinzausgaben absicherte. In den letzten Jahren der Franco- Diktatur öffnete sie sich sogar für die intellektuelle Opposition. Aus dem einst fundamentalistisch-katholischen Linienblatt wurde so eine gemäßigt religiöse Zeitung, die nach dem Tod des Diktators 1975 auch den einstigen politischen Gegnern ihre Seiten öffnete. Den Stammlesern gefielen solche Experimente weniger. Sie wechselten zur konservativ monarchistischen ABC.

YA gelang es trotz aller Anstrengungen nicht, im demokratischen Lager neue Leser zu finden, denn die bekamen mit El Pais bald ihr eigenes Blatt. 1976 als erste Nach-Franco-Zeitung gegründet, wurde sie schnell zum eigentlichen Motor des Übergangs zur Demokratie. Jung, experimentierfreudig und vor allem unbescholten.

Die Auflage von YA – 1976 war das Blatt mit täglich über 180.000 verkauften Exemplaren die meistgelesene Tageszeitung Madrids – begann zu sinken. 1988 verkauften die Bischöfe das heruntergewirtschaftete Blatt an die baskische Verlegergruppe El Correo, einem Imperium aus Lokal- und Regionalzeitungen. Es kam, was kommen mußte: Nach Einverleibung der Provinzausgaben von YA stieß El Correo 1991 die Zeitung wieder ab – allerdings bankrotter als je zuvor.

Der nächste Käufer war der Fernsehsender Antena 3, dem YA auf dem Weg zum größten spanischen Privatkanal gut ins multimediale Sortiment paßte. Doch daraus wurde nichts. Die Radiosender gingen an den Konkurrent Prisa, der Verlegergruppe von El Pais und für YA setzte sich die Odyssee von Käufer zu Käufer fort, von denen aber niemand die erforderlichen zehn Millionen Mark investierte. Auch der letzte Verleger Aurelio Delgado nicht, bei dessen Antritt vor zwei Jahren das Titelblatt jubelte: „YA gerettet“. Im Gegenteil – es ging endgültig bergab.

„Zuletzt, als die Lohnzahlungen ganz ausblieben, teilten wir die spärlichen Werbeeinnahmen unter uns auf“, erzählt Betriebsratschef Revuelta. Das Blatt erschien Tag für Tag, praktisch in Selbstverwaltung der 160köpfigen Belegschaft. Zuletzt mit einer Restauflage von 25.000.

Nirgends wurde das Ende der YA mit soviel Interesse verfolgt wie beim Diario 16. 335 Millionen Mark Schulden weist die Verlagsgruppe der einst einflußreichen, sozialdemokratischen Tageszeitung aus. Noch unter Franco, 1971, wurde das Schlachtschiff der Gruppe, die Zeitschrift Cambio 16, gegründet. Alles was in der Linken Rang und Namen hatte, veröffentlichte im Politik- und Wirtschaftsmagazin. Im Oktober 1976, nicht einmal ein Jahr nach dem Tod des Diktators, kam die Tageszeitung dazu. Mißwirtschaft und vor allem die Konkurrenz der 1989 vom ehemaligen Diario 16-Chefredakteur Pedro J. Ramirez gegründeten El Mundo trieben die Verlagsgruppe in die Enge.

Ramirez betreibt mit seinem eigenen Blatt seit sieben Jahren das, was er bei Diario 16 gelernt hat – Enthüllungsjournalismus. Nur wesentlich erfolgreicher: El Mundo ist mit einer Auflage von fast 400.000 die zweitgrößte Zeitung Spaniens hinter El Pais.

Diario 16 dagegen treibt mit einer Auflage von gerade noch 40.000 dem Abgrund entgegen, und damit die gesamte Verlagsgruppe. Die Hoffnung auf die rettenden öffentlichen Kredite seitens der Madrider Regionalregierung schwinden immer mehr dahin. Ein Inlandsredakteur faßt die Resignation zusammen: „Die haben bei YA nicht eingegriffen, wo nur 10 Millionen Mark nötig gewesen wären, wie sollen die da dem Diario über 300 Millionen Mark gewähren?“

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